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Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Titel: Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Evers
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und halb aufrecht im Sand. Dahinter lagen der halbe Hals und der Kopf des Kreuzdrachen; die Kiefer
mahlten noch immer, und die Augen waren halb herausgequollen.
Der Drachenleib selbst aber befand sich hoch über dem Meer,
völlig rätselhaft, wie er dort hinaufgekommen war. Sich heftig
windend und eine grauenvolle Schliere aus Blut in die Luft zeichnend, stürzte er auf die Wasseroberfläche zu. Wenig später
schlug er, wohl eine halbe Meile weit draußen, mit einem mächtigen Klatschen im Wasser auf. Im nächsten Moment hallte ein
weiterer klagender Drachenschrei durch die abendliche Szenerie.
Hellami und Cathryn sahen zum Himmel auf, wo der dritte Kreuzdrache, offenbar am Bein verletzt, sich mit heftigen Schwingenschlägen in den Himmel hinaufarbeitete. Er hielt auf das Sonnenfenster zu, eindeutig fort von ihnen.
Unübersehbar, dass er genug hatte – er floh.
Hellami stieß ein verzweifeltes Stöhnen aus. Es schien, als hätten sie gewonnen, aber war es um den Preis von Ullriks Leben
gewesen? Tränen stiegen ihr in die Augen. Cathryn klammerte
sich an ihren Bauch; sie hob die Kleine hoch und umarmte sie
fest.
Ullrik war nirgends zu sehen, aber das Licht hatte schon nachgelassen, und der Sand war dermaßen aufgepflügt, dass sie nicht
erkennen konnte, was dort lag und was nicht.
»Bist du… sicher?«, flüsterte sie Cathryn zu. »Ist er wirklich…?«
Der Kleinen flossen die Tränen wie Bäche aus den Augen.
»Ich weiß nicht, Hellami. Ich glaube, der Drache hat ihn getötet.«
Jetzt gleich dorthin zu gehen, um vielleicht seine verstümmelte
Leiche zu finden, überstieg Hellamis Kräfte.
Sie blieb stehen, hielt Cathryn nach wie vor in ihren Armen und
weinte ebenso sehr wie ihre kleine Schwester.
»Da!«, kreischte Cathryn plötzlich, und ihr Finger schoss nach
vorn.
Hellamis Herz setzte für einen Schlag aus. Sie hatte es ebenfalls
gesehen. Aus der Grube hatte sich ein Arm erhoben, war aber
wieder zurückgesackt.
Cathryn kämpfte sich frei, sprang auf den Boden und eilte los.
*
    Dann begann das wahre Entsetzen.
Cathryn hatte keine zwanzig Schritt hinter sich gebracht, da sah
Hellami etwas am nördlichen Ende des Strandes. Eine Bewegung,
heftig, von etwas sehr Großem.
Sie wusste sofort, worum es sich handelte. »Cathryn!«, schrie
sie. So schnell sie nur konnte, rannte sie dem Mädchen hinterher.
Ein zweites Mal sah sie die Bewegung, ehe sie die Kleine erreicht hatte, und das Entsetzen lähmte sie fast.
Ihr Magen drohte zu rebellieren, ein unerträglicher Hitzeschub
durchpeitschte ihren Leib wie ein Strom blanken Feuers. Sie erreichte Cathryn, pflückte sie wie eine Stoffpuppe vom Fleck und
rannte so schnell sie konnte in ihre Deckung zurück.
Augenblicke später war er schon da – der Drache. Mit einem
mordgierigen Brüllen schoss er zu ihrer Felsengruppe; sein brennender, fauliger Atem stob wie eine Sturmböe durch die Felsspalten, dann war er über ihnen, hatte die Felsen mit seinen Gliedmaßen umschlossen und biss mit seinen riesigen Zähnen überall
herum. Felsstücke platzten ab, Wolken zerstäubten Blutes wallten
durch die Zwischenräume, und ein unerträglicher Gestank breitete sich aus. Vor Entsetzen und Panik wimmernd, drückten sich
Hellami und Cathryn in die hinterste Ritze eines schmalen Spalts
zwischen zwei Felsen. Zum Glück erreichte sie die Bestie dort
nicht. Es war der erste der drei Kreuzdrachen – der, den der
Speer in die Brust getroffen hatte, und er war nicht tot. Sein Körper war zermalmt, die meisten seiner Knochen zerschmettert,
sein Leben kein Kupferstück mehr wert. Das aber hatte ihn nicht
daran hindern können, sie zu verfolgen, sobald er sie entdeckt
hatte. In seiner Todeswut war er mit dem Rest seiner noch funktionierenden Sehnen, Muskeln und Knochen unfassbar schnell
über den Sand gekrochen. Wie ein lähmender Horror saß Hellami
dieser Anblick in den Knochen.
Brüllend vor Wut bohrte er seine langen Krallen in jede Ritze
und biss mit seinem zähnestarrenden Maul in den blanken Felsen.
Für Minuten war Hellami vollkommen erstarrt, unfähig, sich einen
Fingerbreit zu bewegen. Cathryn klammerte sich an sie; Tränen
hatte sie längst keine mehr, sie wimmerte voller Verzweiflung.
Immer wieder brüllte ihnen der Drache aus Leibeskräften seine
Wut entgegen, und jedes Mal, wenn dieses Geräusch aufbrandete, glaubte Hellami, dass sie allein davon würden sterben müssen.
Dann herrschte plötzlich Stille.
Sie konnten den rasselnden Atem des Untiers hören, das

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