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Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Titel: Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Evers
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Rechts führte der Spalt noch ein Stück weiter, aber
sie wusste, dass es dort bald zu eng wurde und sie nicht mehr
weiter kommen würde. Mit aller Vorsicht schob sie sich in die Höhe, stemmte sich zwischen den aufsteigenden Seiten zweier Felsblöcke hinauf und vermochte bald ihren Kopf aus der Felsengruppe zu recken. Betroffen sah sie sich um – vorher waren die Felsen
viel höher gewesen. Der Drache hatte die meisten von ihnen
weggebissen.
Dann erkannte sie den Leib des Untiers in der Dunkelheit,
schwarz und glänzend, hier und dort mit einem tief dunkelblauen
Schimmer. Er lag fast wie ein Ring um die Felsengruppe herum;
sein riesiger, schlangenartiger Leib bebte und zitterte, sein mächtiger Schädel musste wohl auf dem Sand liegen. Eine seiner vier
Schwingen war kurz hinter der Schulter vollständig abgerissen,
ein zersplitterter Knochenstumpf ragte seitlich weg. Selbst in der
Dunkelheit konnte sie den Zustand des Drachen erkennen – er
war kaum mehr als ein unförmiger Klumpen Fleisch. Dass er noch
lebte, musste eine bizarre Anhäufung von Zufällen sein.
Ihr Herz wummerte heftig; sie wusste nicht, ob sie schnell genug in die Spalte würde hinabrutschen können, sollte die Bestie
auf sie aufmerksam werden. Sie reckte den Kopf noch höher und
sah zum Strand – konnte dort aber nichts erkennen. Das Mondlicht war zu schwach.
Ein dumpfes Gefühl von Trauer überkam sie. Sie mochte Ullrik,
und nach allem, was Marina über ihn erzählt hatte, war er ausgesprochen mutig und ein verlässlicher Freund. Allein ihr und
Cathryn hatte er wiederholt das Leben gerettet. Ihn dort draußen
sterben zu lassen war ein unerträglicher Gedanke. Sie musste
etwas tun, das war sie Ullrik schuldig.
Vorsichtig ließ sie sich wieder hinab, nahm Cathryn in die Arme,
kauerte sich zusammen und dachte nach.
Möglicherweise gelang es ihr, zu Ullrik zu schleichen. Aber was
dann? Er musste irgendwo dort draußen sein, aber wäre er noch
zu handeln in der Lage gewesen, hätte er längst versucht, sie zu
befreien. In Sachen Magie war er offenbar mächtig genug, es mit
einem Kreuzdrachen aufzunehmen.
Nein, er war gewiss verletzt oder gar tot, und sie musste es einfach schaffen, zu ihm zu gelangen. Aber Cathryn auf dieser Flucht
mitzunehmen war ausgeschlossen. Tief und ruhig atmete sie aus
und wieder ein. Was sollte sie tun?
Sie hatte eine rege Vorstellungskraft, aber selbst nach minutenlangem Nachdenken kam ihr keine Idee. Das Herz des Drachen,
das konnte sie hören, schlug jetzt viel langsamer, aber noch immer stetig. Konnte es nicht einfach aufhören zu schlagen?
Sie hob den Kopf.
Sein Herz?
Unvermittelt richtete sie sich auf und sah sich um.
Sein Herz!
Vorsichtig schob sie sich wieder durch den Spalt nach oben. Die
Aufregung, unter der sie stand, entsprang nicht ihrer Idee selbst,
sondern der Angst vor dem Mut, den sie aufbringen musste, um
es zu tun. Sofern es überhaupt möglich war.
Lautlos erreichte sie das Freie, schob sich noch etwas höher und
musterte den Drachen. Sein zerschmetterter Leib lag noch immer
wie ein Ring um die kleine Felsengruppe; sie hätte Schwierigkeiten gehabt zu bestimmen, welcher Körperteil wo lag. Aber dort,
wo der abgerissene Flügelstumpf in die Höhe ragte, hatte sie zuvor etwas gesehen.
Sein Herz.
An einer Stelle bebte sein Leib besonders heftig, und als sie sich
diese genauer ansah, war sie sich sicher: Dort, nicht tief unter
seiner ledrigen Haut, pumpte das riesige Herz. Offenbar war es
intakt, doch ein Blick auf den schwer verletzten Drachen genügte:
Versagte sein Herz, wäre er innerhalb von Sekunden tot.
Und sein Herz war erreichbar. Für ein Schwert. Hektisch sah sie
sich um, vergaß alle Vorsicht, stemmte sich hinauf auf den höchsten Punkt und richtete sich auf.
Als sie ihr Schwert entdeckte, wurde ihr schlecht. Es lag unmittelbar vor dem Kopf des Drachen im Sand. Der Schädel war zerschmettert und das ihr zugewandte Auge zerstört.
Dennoch: sein Herz pumpte noch, und Hellami war sich der tödlichen Gefahr bewusst, in der sie schwebte.
Sie ließ sich auf alle viere nieder, duckte sich so tiefes ging und
krabbelte auf den Rand der Felsen zu direkt in die Richtung des
Kopfes. Wenn er erwacht, bin ich tot.
Sie schaffte es bis an den Rand, blickte hinab und sah, dass ihr
Vorhaben unmöglich gelingen konnte. Der Drache schien zu
schlafen, sein rasselnder Atem war gleichmäßig – aber das würde
ihr nichts nützen. Vor ihr ging es vier Ellen senkrecht abwärts.
Ohne einen

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