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Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Titel: Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Evers
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Knacken der geborstenen Knochen in seinem Leib, sogar das leise
Jaulen unter den mörderischen Schmerzen, die er leiden musste.
Endlich erlangte Hellami wieder ein wenig Kontrolle über sich
und veränderte verkrampfte Haltung, um ihre einen Schmerz in
der linken Seite loszuwerden.
Dann leistete sie sich vor lauter Elend, Angst und Verzweiflung
ein Schluchzen.
Augenblicklich verfiel der Drache wieder in Raserei. Er schien
diesen Laut gehört zu haben, stieß sein infernalisches Brüllen zu
ihnen herab und schob den ganzen zerstörten Leib über die Felsen. Fast erreichte sie eine seiner Krallen, die um die vier Ellen
lang und eine ganze Elle breit war. Er hätte sie damit aufspießen
oder zerquetschen können, womöglich ohne dass er es überhaupt
gespürt hätte. Cathryn quietschte und schrie, und Hellami versuchte sich verzweifelt noch tiefer in die Spalte zu drücken, Cathryn, die sie an den Bauch gedrückt hielt, mit sich ziehend. Der
Drache biss erneut in den Stein; mit mahlendem Krachen platzte
ein Stück Fels über ihnen weg, und sie wurden von Gesteinssplittern überschüttet.
Hellami sammelte jeden Funken Kraft, der noch in ihr war.
»Bleib ruhig, Trinchen«, flüsterte sie der schluchzenden Cathryn
zu. »Er stirbt. Wir müssen nur abwarten. Bleib ganz ruhig.«
Doch sie wusste selbst nicht, ob das wirklich zutraf. Zwar wurde
der Drache ruhig, dann hörten sie ihn nur hecheln.
Aber mit der Zeit nahmen sie ein dunkles Dröhnen wahr, das
leise die gesamte Felsengruppe durchdrang: seinen Herzschlag.
Er war schnell, bestimmt über fünfzigmal in der Minute, und wollte einfach nicht langsamer werden.
Es vergingen Minuten, dann Viertelstunden, und schließlich war
eine ganze Stunde verstrichen, während derer sie bewegungslos
dem dunklen Pulsieren lauschten und nicht wagten, sich auch nur
eine Handbreit zu bewegen. Die Zornesausbrüche des Drachen
waren seltener geworden, aber ihre Heftigkeit hatte kaum nachgelassen. Er biss, kratzte und brüllte, als wären die Felsen selbst
sein Feind, den er nicht aus seiner Umklammerung loslassen wollte. Und es wollte nicht enden. Aus der einen Stunde wurden drei.
Endlich, nachdem Mitternacht schon vorüber war, konnten sie
sich leise bewegen und flüstern, ohne dass er es hörte und in
neue Raserei verfiel. Dennoch fragte sich Hellami, ob sie lange
genug würden durchhalten können. »Wir müssen nach Ullrik sehen«, flüsterte Cathryn so leise, dass Hellami es kaum hören
konnte. »Ich weiß, mein Schatz. Aber wie? Wir kommen von hier
nicht weg. Nicht, solange er nicht tot ist.
Wer weiß, wie lange das noch dauert.«
Der röchelnde Atem des riesigen Tieres war allgegenwärtig, wie
auch das leise, aber durchdringende Pochen seines Herzens.
Solange auch nur noch ein Funke Leben in ihm war, hatten sie
keine Chance auf Entkommen, das war sicher. Sollten sie einen
Weg aus ihrem Gefängnis finden und er sie bei einem Fluchtversuch bemerken, würde er sie selbst noch mit seinem allerletzten
Atemzug töten. Doch der Gedanke an Ullrik plagte Hellami immer
mehr. Ohne ihn wären sie längst nicht mehr am Leben. Wahrscheinlich war er verletzt, lag seit Stunden in diesem Loch und
hauchte womöglich langsam sein Leben aus.
Sie benötigte noch eine Weile, um Mut zu sammeln, dann rang
sie sich durch, etwas zu unternehmen. Was sie tun sollte, wusste
sie nicht, aber sie musste wenigstens etwas versuchen. Seit geraumer Zeit fiel ein wenig Mondlicht durch das Sonnenfenster
über ihnen, und diese Gelegenheit musste sie nutzen, um sich zu
orientieren.
Mit aller Vorsicht schob sie sich aus ihrem Versteck und dehnte
die schmerzenden Gelenke. Sie war völlig steif, und beide Beine
sowie der linke Arm waren ihr eingeschlafen. Doch sie gestattete
sich nicht das leiseste Stöhnen, selbst nicht als das Blut, heiß und
schmerzhaft kribbelnd, wieder durch ihre abgeklemmten Adern
schoss. Der Drache aber blieb ruhig.
»Cathryn, du bleibst hier«, flüsterte sie, »was auch immer geschieht! Hast du verstanden?«
Stumm nickte die Kleine.
Endlich war Hellami so weit, sich aus ihrem Versteck zu wagen.
Ihr Schwert hatte sie fallen lassen; wenn sie sich recht erinnerte,
war es in dem Moment gewesen, da Cathryn versucht hatte, ihr
zwischen die Felsen zu helfen. Es musste außerhalb der Felsengruppe liegen. Aber das machte keinen Unterschied. Den Drachen
mit dem Schwert anzugreifen war eine lächerliche Idee. Leise
stemmte sie sich in die Höhe. Das Mondlicht half ihr, sich zu
orientieren.

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