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Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Titel: Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Evers
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gerettet hatte. Wäre damals die letzte Königin getötet worden, und das hätte
jede Sekunde passieren können, würden wir Frachtflieger heute
in Blechkisten herumfliegen, die sündteuer, unbeweglich und von
lächerlich niedrigem Fassungsvermögen wären. Kein Vergleich zu
den Raumfischen.«
»Aber sie sind dir trotzdem unheimlich«, stellte sie fest, und es
klang ein wenig wie ein Vorwurf. Er verzog das Gesicht. »Immerhin handelt es sich um ein totes Wesen, in dem wir hier herumkrabbeln.« Er wies auf das Stück Melly Monroe, das in völliger
Dunkelheit unter ihm lag.
»Ich mag sie – als lebende Wesen. Aber wer weiß, ob sie nicht
doch einen Geist, eine Seele besitzen, die nachts ziellos und voller Wut durch die Gänge und Tunnel schleicht?«
Leandra seufzte leise und sah wieder hinaus. Der Gedanke, ein
so gewaltiges Wesen zu töten und auszunehmen, hatte etwas
Grausiges. Es hieß, die Leviathane besäßen so gut wie kein Gehirn und wären nicht intelligenter als die Eis- und Felsbrocken,
zwischen denen sie sich in den Halonringen bewegten. Aber wer
konnte das schon so genau wissen? Die Drachen der Höhlenwelt
waren auch fast zweitausend Jahre lang für dumm gehalten worden, ehe man entdeckt hatte, dass ihre Intelligenz den Menschen
mindestens ebenbürtig war. In gewissen Dingen waren sie ihnen
sogar überlegen.
Verträumt sah sie hinaus, beobachtete das Riesenwesen und
gab sich romantischen Gedanken hin. Noch immer war Darius’
Haut erhitzt, und sie schmiegte sich wohlig an ihn.
Dann geschah etwas, das Leandra zugleich erschreckte wie
auch faszinierte. Die Königin schien sich von einem Moment auf
den anderen zu entschließen, sich anderen Dingen zuzuwenden,
und verschwand. Mit einer unglaublichen Plötzlichkeit gewann sie
Geschwindigkeit und wand ihren Körper dabei zwei-, dreimal wie
ein großer Fisch. Das Ganze geschah mit einer Mühelosigkeit,
dass Leandra vor Verblüffung der Atem stockte. Das riesige Geschöpf huschte davon, in die Schwärze des Alls, wie eine Forelle,
die auf die andere Seite des Bachs wechseln will. Kaum zwanzig
Sekunden später war sie außer Sicht.
Leandra seufzte vor Überraschung auf. Auch Darius ließ einen
überraschten Laut hören. So etwas bekam selbst einer wie er
sicher nicht alle Tage zu sehen.
*
    Als sie später die Brücke erreichten, hatte Griswold ihnen etwas
Besonderes zu bieten.
»Na, ihr liebestrunkenes Paar«, begrüßte er sie, und ein neidvoller Vorwurf war aus seiner Stimme herauszuhören. »Während
ihr euch aufregende Stunden gegönnt habt, habe ich etwas getan.«
»Aufregende Stunden?«, brauste Roscoe auf. »Hast du uns etwa beobachtet?«
Er hob abwehrend die Hände. »Geht wohl nicht, nachdem du da
oben alles abgeschaltet hattest, nicht wahr? Aber dass du es getan hast, sagt wohl alles.«
Leandra spürte Mitgefühl mit Griswold, der hier unten ganz allein geschmort hatte, während er gewusst oder besser: geahnt
hatte, welch leidenschaftliche Szenen sich ein paar Stockwerke
über ihm abgespielt hatten. Sie schubste Roscoe im Vorübergehen mit dem Po zur Seite, gesellte sich zu Griswold, hakte sich
bei ihm unter und drückte sich ganz fest an ihn. »Und? Was hast
du denn getan?«, fragte sie.
Sie konnte förmlich spüren, wie sehr er die Berührung genoss
und wie sie seine Laune verbesserte. »Ich habe den Leviathan
vermessen«, erklärte er seufzend und ließ sich auf seinem Sitz
vor dem großen Instrumentenfeld mit den vielen Monitoren nieder.
»Es war eine Königin«, berichtigte sie ihn.
»Ja, ich weiß. Sie war über eine Viertelmilliarde Tonnen schwer,
sechseinhalb Meilen lang und so um die eintausendfünfhundert
Jahre alt. Wahrscheinlich hat sie schon zweimal geworfen.«
»Wirklich?« Sofort hatte er ihre ganze Aufmerksamkeit.
Mit einem unwilligen Stöhnen ließ sich Roscoe in den Copilotensitz fallen. Er war eifersüchtig, weil Leandra sich so unvermittelt
Griswold zugewendet hatte.
Verärgert setzte sie sich auf Griswolds Knie, legte den Arm um
seine Schulter und ließ es sogar zu, dass er die Hand auf ihre
Hüfte legte. Dabei warf sie Roscoe einen trotzigen Blick zu. Der
brummte unwillig.
Leandra kümmerte sich nicht weiter darum. »Zweimal schon?«,
fragte sie Griswold neugierig. »Woran kann man das erkennen?«
»An der Körpertemperatur.« Griswold deutete auf einen Holoscreen, auf dem sich ein Gebilde aus sich kreuzenden Linien befand,
das Leandra nicht das Mindeste sagte. »Sie befindet sich im Aufsteigen, siehst du? Das

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