Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Titel: Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Evers
Vom Netzwerk:

schwachen Licht des Alls. Der schlanke Leib der Riesin war in rippenartige Segmente unterteilt, wie bei anderen Leviathanen auch,
nur verliefen sie schräger und in zwei ineinander verzahnten Reihen, sodass sich entlang der Mittelachse des fischartigen Leibes
noch eine zusätzliche Bewegungsebene eingliederte. Offenbar
konnte die Königin ihren Körper wie eine Raupe nach unten knicken. Der Rücken verjüngte sich nach oben hin zu einem hohen
Kamm, während sich die unteren Seiten nach links und rechts zu
zwei kurzen, flügelartigen Fortsätzen ausformten. Sie beschrieben
je einen lang gestreckten Bogen, was der Königin im Zusammenspiel mit dem hoch aufragenden Rückengrat eine außergewöhnliche Eleganz, ja sogar Anmut verlieh. Der meilenlange, schmale
Schwanz endete in einem großen Dreifach- Segel, das eine nach
oben weisende Finne und je eine schräg links und rechts unten
besaß. Wenn dieses Wesen ein Merkmal nicht besaß, dann war es
das der Plumpheit – trotz seiner ungeheuren Größe. »Sie ist…
wunderschön«, flüsterte Leandra ehrfurchtsvoll. Langsam und
ungläubig schüttelte sie den Kopf. »Ich… ich habe über die Königinnen gelesen. Aber dass sie so schön sind, hätte ich nicht gedacht.«
    Roscoe umarmte sie fester, gab ihr einen Kuss auf die Wange.
»Ich bin froh, dass du das so siehst«, flüsterte er ihr verliebt ins
Ohr. »Für die meisten Leute wäre sie nur ein riesiges Monster.
    Sonst nichts.«
Sie sah ihn erstaunt an. »Wirklich?«
Er nickte in Richtung der Königin. »Sieh nur, jetzt kommt der
Kopf.«
    Leandras Blick glitt über den riesigen schlanken Leib. Auf geheimnisvolle Weise fühlte sie sich an Alina erinnert, so wie sie sie
zum ersten Mal erblickt hatte, damals in den Quellen von Quantar. Auch Alina besaß diese Anmut, obwohl der Vergleich natürlich
hinkte. Leandra war völlig fasziniert von diesem Wesen.
    Dann überholte die Melly Monroe langsam den Kopf der Königin,
der jedoch kein eigenständiger Körperteil war, sondern wie bei
einem Fisch nur das vordere Ende des Körpers darstellte. Leandra
hielt den Atem an.
    Zuerst wurde ein riesiger, abgeschrägter Teil sichtbar, der an
der Unterseite des Kopfes lag, und dann eine gewaltige ovale Öffnung, während sich der Kopf in majestätischer Langsamkeit dem
Schiff zuwandte.
    Die Melly Monroe war kein sehr großer Leviathan und hätte
leicht in die riesige Maulöffnung der Königin hineingepasst.
Leandra hob den Arm. »Sieh nur«, flüsterte sie atemlos. »Das
Maul. Damit nimmt sie ihre Nahrung auf. H.Plantae, eine Algenpflanze, die frei im Schwerefeld von Halon im All treibt.«
    Roscoe lächelte. »Du hast ja wirklich gut aufgepasst.«
Sie klammerte sich an ihn, spürte, dass er noch immer erregt
war, aber dafür hatte sie jetzt keinen Gedanken frei. Doch es war
aufregend, mit ihm hier so zu sitzen, noch erhitzt, von einem
    dünnen Schweißfilm bedeckt, im Angesicht des gewaltigsten Lebewesens der ganzen Milchstraße. Sie hatte das Gefühl, dieser
Königin wirklich nahe zu sein. Hätte es im Bereich ihrer Möglichkeiten gelegen, wäre sie trotz ihrer noch nicht ganz überwundenen Furcht gern dort draußen gewesen, um neben dem kolossalen Wesen durchs All zu treiben. Er deutete zur Kuppel. »Schau.
Dort kommt ein Auge.«
    Leandra folgte seinem deutenden Finger und entdeckte einen
dunklen Fleck ein Stück oberhalb des großen Ovals, an der schrägen Vorderseite. Obwohl es so groß sein musste wie die Basilika
des Cambrischen Ordens in Savalgor, wirkte es geradezu winzig
im Verhältnis zu dem gigantischen Leib des Wesens. Es war
schwarz, und Leandra glaubte in ihm den Widerschein der Sterne
schimmern zu sehen. Dann rückte auch das zweite Auge ins
Blickfeld, und Leandra vergaß beinahe das Atmen.
    »Sie… sie hat ein richtiges Gesicht!«, hauchte sie und stand auf.
Sie trat zur Scheibe der Ceraplast-Kuppel, legte beide Hände dagegen und starrte hinaus. Erst nach einer Weile bemerkte sie,
dass ihr warme Luft gegen die Unterschenkel blies; Darius hatte
offenbar die Heizung eingeschaltet. Doch noch immer war es völlig dunkel um sie herum.
    Es war vielleicht einer der romantischsten Augenblicke ihres Lebens, als er von hinten an sie herantrat, sie sanft umarmte und
ihre Schultern küsste, während sie, von einer unerwarteten Aura
der Wärme umgeben, wie im schwarzen Nichts stand und hinaus
zu diesem großartigen Wesen schaute. Minutenlang standen sie
schweigend da und sogen den Zauber dieses Augenblicks in

Weitere Kostenlose Bücher