Hoelle auf Zeit
George. »Es ist inzwischen neun, Mrs. Talbot.«
Das Ziel war bald darauf herausgefunden. Egan fuhr nach Hampstead hinein und dort auf den Vorhof einer Autowerkstatt gegenüber dem Untergrundbahnhof. Sie hielten am Straßen rand und beobachteten, wie er mit dem Wärter hinter der Glaswand sprach. Er händigte ihm seine Wagenschlüssel aus, verließ den Raum und überquerte die Straße zum Eingang der Untergrundstation.
»Dem Schild nach haben die ‘nen Kundendienst für frisierte Motoren«, meinte George. »Er muß seine Kiste dagelassen haben.«
Blitzartig war Sarah draußen. »Ich finde schon allein zu rück.«
Sie schlug die Tür zu, bevor er protestieren konnte, und lief im Zickzackkurs zwischen den Autokolonnen hindurch auf die andere Straßenseite.
»Ach, herrje, das hat uns gerade noch gefehlt«, murmelte Jago, stellte das Radio ab, stieg aus und folgte ihr.
Sarah ging hinter Egan die Treppe hinunter in die Haupthalle. Sie sah, wie er einen Fünfzigpencefahrschein aus dem Automa ten zog, und tat das gleiche, folgte ihm durch die Sperre und die Rolltreppe hinunter bis auf den Bahnsteig.
Gerade war ein Zug eingefahren, und die Menge drängte vorwärts. Sie schaffte es nicht, hinter Egan in ein Abteil zu gelangen, sondern wurde von den aussteigenden Passagieren beiseite gestoßen. Als sich die Türen des nächsten Wagens vor ihr zu schließen begannen, sprang sie hinein. Jago, dicht hinter ihr, konnte sich in letzter Sekunde auch noch hineinquetschen.
Sarah schob sich zum Ende des Waggons durch. Eine Ver
bindung zum nächsten bestand nicht, aber sie konnte Egan durch die Glastür sehen, ungefähr in der Mitte, und sich einen zur Beobachtung günstigen Platz wählen. Jago, der in der Nähe saß, nahm eine liegengebliebene Zeitung zur Hand.
Außer ihnen gab es nur noch ein knappes halbes Dutzend Fahrgäste, zwei alte Damen, eine junge Schwarze, ein Teena gerpärchen, offensichtlich Studenten. Jago beobachtete alles scharf, hinter der Zeitung versteckt. Der Zug lief in Belsize Park, der nächsten Station, ein.
Als sich die Türen öffneten, stürmten vier Jugendliche her ein. Kahlgeschoren, vernietete Drillichanzüge, Schnürstiefel. Der eine hatte zwischen den Augen ein Hakenkreuz eintäto wiert, ein anderer trug einen goldenen Nasenring. Ein dritter trank Whisky aus einer Halbliterflasche.
»Achtung, die Irren sind hier!« kreischte er.
Der mit der Hakenkreuztätowierung beugte sich über die junge Schwarze. »He, seht mal, was ich gefunden habe, ‘ne schwarze Drecksau.« Er krallte ihr die Finger ins Haar und beutelte sie.
Sie erstarrte vor Schreck, Tränen schossen ihr in die Augen. »Bitte, laß mich los.«
Er grapschte mit der anderen Hand nach ihrem Rock. »Freu dich lieber, daß ich mir nicht zu schade bin, ‘n schwarzes Miststück wie dich überhaupt anzufassen.«
Seine Kumpane brachen in wieherndes Gelächter aus, die grinsenden, verrohten Gesichter hatten nichts Menschliches mehr an sich. Sarah kochte vor Wut, sprang auf und packte den Jungen an der Schulter. »Laß sie in Ruhe.«
Er fuhr herum, in seinen Augen blitzte etwas auf, drohend, hinterhältig. »Sieh mal einer an, was haben wir denn hier? Eine echte Lady. Is doch ‘ne echte Lady, was sagst du, Harold?«
Der nickte. »Ganz deiner Meinung, Kevin.«
»Zu schade für unsereinen, aber vielleicht lernt sie’s, uns zu mögen, wenn man ‘n bißchen nachhilft.«
Er stieß Sarah grob auf ihren Platz zurück, und der mit dem Nasenring lachte beifällig. »Der kannst du bestimmt noch was beibringen«, grinste er.
Sie drängten sich heran. Einen Augenblick erfaßte Sarah pa nische Angst, dann erhob sich Jago und versetzte Kevin wort los einen heftigen Schlag in die Nieren, der aufbrüllte und mit einem Knie zu Boden ging. Jago drehte sich um, den rechten Ellbogen nach hinten gestreckt, und traf Harold unter dem Kinn. Der stürzte zu Boden, rang, die Hände an der Kehle, nach Luft, die Augen quollen hervor, das Hakenkreuz dazwi schen nahm sich grotesk, irgendwie obszön aus.
Sie fuhren in den Bahnhof Chalk Farm ein. Jago lächelte lie benswürdig. »Schrecklich, was für Leute man heutzutage in den Zügen trifft.«
Die anderen Passagiere hasteten nach draußen, bestrebt, nicht in die Sache hineingezogen zu werden. Sarah schenkte ihm einen Blick voll stummer Dankbarkeit und sah dann hinter ihm durch das Fenster, daß Egan
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