Höllen-Mädchen
Kette der verschwundenen Könige gemeint. Ich bereitete mich vor, indem ich den Zauber vom Gesicht der Gorgone zurücknahm. Sie war jetzt so dicht verschleiert, daß ihr Anblick nicht ungewollt irgendeine arme Kreatur versteinern konnte, die zufällig des Weges kam. Aber wenn sie dem Feind begegnete, würde sie den Schleier lüften.
Die Gefahr war ihr wohl bekannt. »Oh, mein Gebieter«, sagte sie mit ungewöhnlicher Sanftmut. »Mußt du dich auf diese Sache einlassen? Kannst du nicht von hier aus regieren?« Sie hatte mir Essen eingepackt und auch ein paar Socken zum Wechseln, da sie meine Antwort bereits kannte. Zuvor hatte ich ihr mitgeteilt, daß ich ihre Schwester, die Sirene, zur Unterstützung in die Auseinandersetzung miteinbeziehen wollte. Ich hatte die Harfe der Sirene repariert, damit sie Mundanier herbeilocken konnte. Aber ich wußte, daß sie nicht dem jetzigen König dienen sollten. Es würde einer meiner Nachfolger sein.
Ich trug Grundy auf, während meiner Abwesenheit das Schloß zu hüten. Die Gorgone benutzte meinen magischen Teppich, um ihre Schwester herbeizuholen und ihr die Harfe wiederzugeben. Unterdessen bestieg ich die Mähre Imbri, die bei Tag einen festen Körper besaß, und wir galoppierten nach Schloß Roogna. Wie ich das alles haßte! Ich war viel zu alt für ein solches Abenteuer, aber nun wurde es mir aufgedrängt.
Die Mähre Imbri war – wie alle weiblichen Wesen – selbstverständlich neugierig auf all die Dinge, die sie im Grunde nichts angingen. Sie erschuf ein Traumbild, in dem sie als schwarzgekleidete und überaus attraktive Menschenfrau erschien, die ihr Haar zu einem langen Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. »Warum hast du der Gorgone nicht erlaubt, dich zu begleiten?« fragte mich die Traumfrau. »Sie schien sich wirklich um dich zu sorgen.«
»Natürlich sorgt sie sich um mich, zum Teufel!« knurrte ich. »Sie ist eine bessere Frau, als ich verdient habe. Sie war es schon immer und wird es immer sein.«
»Aber dann…«
»Weil ich nicht möchte, daß sie Zeugin meines schändlichen Scheiterns wird. Meine Frau wird mehr ausrichten können, wenn sie nicht durch Hoffnungen behindert wird.«
»Das ist eine ziemlich grausame Einstellung«, stellte die Traumfrau fest, während die Mähre mich in das Auge eines Kürbisses für Schnelltransporte trug.
»Nicht grausamer als die Träume von Nachtmähren«, erwiderte ich. Natürlich hatte Imbri diese schändliche Fähigkeit verloren, daher war sie auch nicht mehr hauptberufliche Nachtmähre.
So erreichten wir Schloß Roogna. Ich machte Königin Iris klar, daß Bink mein Nachfolger als König werden würde. Sein Talent, nicht durch Magie angreifbar zu sein, mochte sich gegen Mundanier als nutzlos erweisen, doch er war ein richtiger Magier, und nur das zählte. Danach, so erklärte ich ihr, würde Arnolde Zentaur an die Reihe kommen.
»Und nach ihm?« wollte Iris begierig wissen.
»Wenn die vollständige Kette der zukünftigen Könige bekannt wäre«, hob ich hervor, »könnte unser Feind sie bereits im voraus vernichten.«
»Was kann ich tun, um Xanth zu retten?« fragte sie weiter. Offenbar war sie der Ansicht, daß ich senil wurde.
»Alles zu seiner Zeit, Frau. Wenn es soweit ist, wirst du deinen Lohn schon bekommen – und zwar das, was du am meisten begehrst.« Allerdings hatte ich vergessen, was sie am meisten begehrte, obwohl es in meinem Buch geschrieben stand.
Kurz darauf nahm ich eine Mütze voll Schlaf, und die Mähre Imbri trabte hinüber zum Zombiefriedhof, um dort zugrasen.
Später gingen wir dann zum Ort meiner Schmach: dem Baobabbaum. Dort traf ich Imbris Freund, das Tagpferd, einen gutaussehenden weißen Hengst. Dort beging ich dann meine allergrößte Dummheit: Ich erkannte meinen Feind nicht, als er mir gegenüberstand. Denn das Tagpferd war nichts anderes als die Pferdegestalt des Reitermannes. Er zwang meinen Blick in das Guckloch des Kürbisses, und schon war ich verschwunden.
Das Reich der bösen Träume hielt mich gefangen. Leider konnte ich es nicht durchqueren, wie es mir auf dem Rücken der Mähre Imbri leicht gelungen wäre. Ich befand mich in einem Schloßzimmer, das man mit Tischen, Stühlen und Betten wohnlich ausgestattet hatte. Dort traf ich auch die Könige Trent, Dor und Jonathan, den Zombiemeister.
»Schön, dich wiederzusehen, Humfrey«, meinte Trent. »Was gibt’s Neues?«
Ich war geschockt. Wie konnte er so gelassen bleiben? Dann lachte er, und mir wurde klar, daß er
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