Höllen-Mädchen
wäre sie wieder den Nachstellungen ihres dämonischen Verehrers ausgeliefert gewesen. Leider verfügte ich über keinen Zauberspruch, der eine einzelne Person befähigte, einen verliebten Dämon zu entmutigen. Was konnte ich ihr also sagen?
Im folgenden Jahr, gerade als Tandys Dienstzeit beendet war, traf Krach, der Sohn von Oger Knacks, mit einer Frage ein, die er vergessen hatte. Oger waren nicht gerade die hellsten Kreaturen. Glücklicherweise wußte ich, was ihn bedrückte: Er war mit seinem Leben unzufrieden.
Krach war kein gewöhnlicher Oger. Seine Mutter war fluchbesessen, womit ihre menschliche Abstammung umschrieben wurde. Genaugenommen war sie halb menschlich. Gewöhnliche Oger, man wird sich erinnern, waren nur stolz auf drei Dinge: ihre herausragende Stärke, ihre abgrundtiefe Häßlichkeit und ihre unbeschreibliche Dummheit. Tief im Innern, so gut verborgen, daß selbst Krach sich dessen nicht bewußt war, hatte er eine kleine menschliche Schwäche, eine menschliche Wohlgestalt und menschliche Klugheit. Wenn er von diesen Qualitäten erfahren hätte, wäre er so entrüstet gewesen, daß sein Erröten alle Fliegen auf seinem haarigen Körper geröstet hätte. Doch diese tiefverschütteten Wesenszüge hatten dennoch ihre verborgenen Auswirkungen: Sie verschmutzten seine reine Ogernatur und machten ihn irgendwie unzufrieden. Er wollte wissen, wie er seine Zufriedenheit als Oger wiedererlangen konnte, doch ich hatte keine passende Antwort. Denn mir war klar, daß dieser Halboger niemals zufrieden sein würde, solange er nicht sein wahres Vermächtnis erkannte und seinen Frieden damit schloß.
Krach war in der Nähe von Schloß Roogna aufgewachsen und daher ein enger Freund von Prinz Dor und Prinzessin Irene. (Dor wurde als Prinz betrachtet, weil seine Zauberkräfte Magierformat hatten, was ihn als zukünftigen König qualifizierte. Irene hingegen – als Tochter des Königs und der Königin, war eine Prinzessin. Die Titel wurden in Xanth eben etwas locker gehandhabt.) Aus diesem Grunde hatte Krach auch einige menschliche Empfindungen übernommen, die seine Ogernatur weiter abschwächten. Kein gewöhnlicher Oger hätte im Traum daran gedacht, mich wegen einer Antwort aufzusuchen.
Da stand ich nun und sollte gleichzeitig zwei Antworten geben. Wie konnte ich Tandy von den Nachstellungen des Dämons befreien, und wie konnte ich Krach mit dem aussöhnen, was er nun einmal war?
Die Lösung kam mir so blitzartig, daß sich die Rücken meiner gesammelten Bände braun färbten und der magische Spiegel zusammenzuckte. Ich mußte einige Male blinzeln, bis ich wieder richtig sehen konnte. Diese beiden Probleme lösten sich gegenseitig auf! Wenn Tandy in Gesellschaft eines Ogers war, würde es sich selbst ein Dämon zweimal überlegen, bevor er sie belästigte. Und wenn Krach ein Menschen-Nymphenmädchen näher kennenlernte, konnte er die Vorteile menschlicher Charakterzüge entdecken. Die Nymphe wäre geschützt, und Krach wäre zufrieden.
So gab ich beiden meine Antwort, die natürlich keiner von ihnen begriff: Sie sollten gemeinsam reisen. In Krachs Fall bedeutete das Antwort und Gegenleistung in einem, denn er sollte Tandy beschützen.
Krach war zu dumm, um seinem Protest angemessen Ausdruck zu verleihen. Jeder wußte, daß es für ihn beinahe das Allerschlimmste war, ein menschliches Mädchen zu begleiten. Tandy hingegen konnte deutlicher werden: »Wenn er mich verschlingt, rede ich nie wieder ein Wort mit dir!« sagte sie zu der Gorgone.
So ergab es sich, daß sie ein lehrreiches Abenteuer erlebten, denn Krach tat etwas so Dummes, wie nur ein Oger es fertigbrachte: Er blickte in das Guckloch eines Hypnokürbis. Augenblicklich wurde er ins Reich der bösen Träume eingeschlossen, war aber zu dumm, um Angst zu bekommen, und richtete ernsthaften Schaden in der Traumlandschaft an. Er terrorisierte die wandelnden Skelette, die nicht daran gewöhnt waren, daß auf diese Weise der Spieß umgedreht wurde. Eines von ihnen namens Mark Knochen ging während dieser Zeit sogar verloren. Schließlich mußte der Hengst der Finsternis selbst einschreiten, wobei Krach die Hälfte seiner Seele einbüßte. Er begegnete auch mehreren Frauen aus verschiedenen Völkern, und in seiner unbeholfenen Art gelang es ihm, ihnen zu Ehemännern zu verhelfen. Besonders bemerkenswert waren Blythe Messing aus dem Reich des Kürbis sowie Chem Zentaur, Chesters und Cheries Fohlen. Aber vielleicht war das auch später. Na, egal.
Doch am Ende
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