Hoellenengel
Spurensicherung.
»Wir vermuten, dass zwei Täter an der Folterung
beteiligt waren. Jedenfalls haben wir zwei verschiedene
Fußabdrücke gefunden, die nicht von den Verstorbenen
stammen. Es handelt sich um Spuren von gängigen Turnschuhen
Größe 42 und 44. Das sind Männergrößen,
aber ob es sich bei den Tätern um zwei Männer handelt,
wissen wir nicht, auch wenn einiges darauf
hinweist.«
»Was zum Beispiel?«, fragte Randver.
»Abgesehen von der Frage, ob es politisch korrekt ist, halte
ich es einfach für wahrscheinlicher, dass zwei Männer es
schaffen, drei Leute zu überwältigen und ihre Gefangenen
dann vollständig unter Kontrolle zu halten.
Wie ich gesagt habe, haben wir nichts in den Händen, was uns
sagt, welchen Geschlechts die Täter waren. Es ist jedoch
interessant, dass es uns scheint, als wäre Elías zuerst
allein im Sommerhaus gewesen und als seien Jói der
Bäcker und Goldköpfchen erst später
hinzugekommen.
Man sollte auch dazusagen, dass dort relativ fachmännisch
vorgegangen worden ist. Die Täter haben alle Werkzeuge und
Hilfsmittel entfernt und nichts hinterlassen, obwohl diese
Hinrichtungen einige Zeit in Anspruch genommen haben dürften.
Wir haben keine Zigarettenstummel, Weinflaschen, Bierdosen,
Essensreste oder sonstige Hinterlassenschaften im Sommerhaus
gefunden. Nichts bis auf das Gekrakel, das Theódór
gerade untersucht.«
Guðrún verstummte und betrachtete ihre Handflächen.
Sie hatte anscheinend nichts weiter zu der Sache
beizutragen.
Randver blickte zu Marinó, der wiederum Jón Esra
anschaute, der in die Reinigung seiner Fingernägel vertieft
war, sodass es Marinó zufiel, sich stellvertretend für
die beiden zu äußern.
»Ja, also Jón Esra und ich haben die Gegend
durchkämmt. Wir haben mit allen gesprochen, die sich dort in
ihren Ferienhäusern aufhielten, und haben alle Besitzer der
umliegenden Ferienhäuser ausfindig gemacht. Niemand hat
irgendetwas bemerkt. Ich versteh nicht, warum diese Leute
überhaupt aufs Land fahren. Sie fahren mit dem Auto bis an die
Haustür von ihrem Häuschen.
Sie schleppen ihren Kram rein, und dann wird gelesen, DVD oder
Fernsehen geschaut, bis man schlafen geht.
Außer natürlich diejenigen, die trinken. Aber die gehen
auch nicht raus. Gerade mal auf die Veranda, um zu grillen, und
dann direkt wieder rein. Und keiner bemerkt fahrende Autos. Die
wenigsten wissen, wer im Nachbarhaus lebt oder ob überhaupt
jemand dort ist. Vielleicht ist es der Sinn dieser Sache, seine
Ruhe zu haben, aber ich finde es dennoch seltsam, dass die Leute
nichts von ihrer Umgebung mitzubekommen scheinen. Sie betrachten
höchstens den See, und das vor allem, um zu sehen, ob jemand
schwarz angelt. Mir ist dieser Müßiggang ein absolutes
Rätsel.«
»Das geht mir auch so«, sagte Randver. »Sind die
Leute heutzutage nicht mehr neugierig, was ihre Nachbarn
betrifft?«
»Doch, das schon noch«, antwortete Marinó.
»Man interessiert sich vielleicht nicht für die Menschen
selbst, aber welche Automarke der Nachbar fährt und wie
mondän das Haus ist und so etwas, das wollen sie alle
wissen.«
»Nun gut«, sagte Randver. »Aber wie kommt es,
dass es genau in diesem Sommerhaus passierte? Was sagt der
Besitzer, Lárus Herbertsson, selbst?«
»Es war gar nicht so einfach, Lalli im Leder zu
erreichen«, antwortete Helgi Leifur. »Er ist in Polen
und ging erst an sein Mobiltelefon, nachdem ich ihn bestimmt schon
zwanzig Mal angerufen hatte.«
»Was macht er in Polen?«, fragte Randver.
»Irgendetwas Geschäftliches?«
»Nein, er sagte, er sei hingefahren, um zu
scheißen.
Hast du nicht gehört, dass es das Neueste bei den
Isländern ist, nach Polen zu düsen und sich einen Einlauf
und Kräutertee zu genehmigen?«
»Doch, ich meine davon gehört zu haben«, sagte
Randver. »Fahren die Leute jetzt wirklich schon ins Ausland,
um Stuhlgang zu haben?«
»Ganze Flugzeugladungen voll«, sagte Helgi
Leifur.
»Und das muss auch ganz schön was kosten. Überleg
dir mal, wie viel Geld man jedes Mal spart, wenn man sich
gemütlich zu Hause aufs Porzellan setzt.«
»Das ist ganz schöner Klosetthumor.« Dagný
unterbrach die Unterhaltung, um ihrem Vorgesetzten und Helgi Leifur
aus der analen Phase zu helfen.
»Ja, entschuldigt bitte«, sagte Randver. »Was
sagte Lárus denn, als du ihn gefragt hast, wer Zugang zu
seinem Sommerhaus hat?«
»Er sagte, er wisse von nichts. Es könnte allerdings gut
sein, dass er irgendwann einmal Elías die
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