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Hoellenfeuer

Hoellenfeuer

Titel: Hoellenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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jahrtausendealten Gefangenschaft hier auf der Welt zu erlösen. Er kann es sich nicht erklären, aber er hält es für ein Zeichen des Herrn, dass dir gelungen ist, was noch niemand vor dir vermocht hat – in den Geist eines Engels einzudringen. Uriel hingegen würde ihm gern glauben. Aber er sieht auch die Gefahr, die von dir ausgeht. Darin gleicht er Samael.“
    „Gefahr? Was für eine Gefahr könnte von mir ausgehen?“, fragte Eleanor entsetzt.
    Naral blickte Eleanor ernst von der Seite an. „Siehst du es denn wirklich nicht, kleine Eleanor?“, fragte sie zurück. „Du bringst das Gleichgewicht in Gottes Schöpfung durcheinander. Du hast alles verändert.“
    Den letzten Satz hatte Naral sehr sanft und freundlich ausgesprochen. Es lag keinerlei Vorwurf in ihrer Stimme. Kein Urteil, kein Verdammen. Nur Mitgefühl.
    „Wieso habe ich alles verändert?“, flüsterte Eleanor.
    „In all den vergangenen Jahrtausenden haben sich die Engel den Menschen gegenüber nie zu erkennen gegeben “, begann Naral. „Nur die von Gott auserwählten Propheten hatten Kontakt mit himmlischen Boten, damit sie die Botschaften des Herrn an die Menschen weitergeben konnten. Aber diese Propheten waren stets Menschen, die keinen Zweifel an Gottes Existenz hatten. Die Prüfungen, die ihr Menschen auf dieser Welt zu ertragen habt, hängen von der Tatsache ab, dass Gott diese Erde nicht betritt und sich euch nicht zeigt. Nur weil es immer einen letzten Zweifel in euren Herzen gibt, kann die Sünde auf dieser Welt leben. Dieser letzte Zweifel in euch ist das Tor, durch das das Böse in die Welt gelangen kann. Und das Böse muss es geben, damit Gott euch prüfen kann. In den Himmel und an Gottes Seite darf nur gelangen, wer vollkommen reinen und guten Herzens ist. Aus diesem Grund haben sich die gefallenen Engel nie zu erkennen gegeben, denn wenn ihr wüsstet, dass es uns gibt, könntet ihr auch nicht mehr an Gottes Existenz zweifeln. Dann wäre es leicht, nicht mehr zu sündigen…“
    „Raphael hat auch so etwas gesagt “, wandte Eleanor ein. „Er sagte, jede Sünde basiert auf den Zweifeln an Gott. Und ich bin der erste Mensch seit Anbeginn der Schöpfung, der einen Engel enttarnt hat.“
    Naral lachte auf. „Das hast du schön gesagt. Und es stimmt – wenn ihr Menschen in der Lage wäret uns Engel zu erkennen, wäre das gesamte System hinfällig. Das hundertprozentige Wissen um Gottes Existenz und den Sinn eures Aufenthaltes hier auf der Welt würde jeden Versuch euch zur Sünde zu verleiten scheitern lassen.“
    „Wir Menschen sollen glauben, aber wir dürfen nicht wissen.“
    „So könnte man es sagen“, sagte Naral ernst.
    „Aber eines verstehe ich noch immer nicht “, setzte Eleanor nach einer Weile an.
    „Was mag das sein?“
    „Ihr gefallenen Engel seid unglücklich hier auf der Welt, weil ihr fern von Gott seid. Würde das System zusammenbrechen, könntet ihr doch sicherlich wieder zu Gott zurückkehren. Wäre es nicht ganz in eurem Interesse, wenn es genauso laufen würde? Gott hat euch auf die Erde geschickt, um die Menschen zu verführen und daher durftet ihr euch nicht selbst offenbaren. Aber nun können die Menschen diese Geheimhaltung aus eigener Kraft umgehen. Das könnte euer Weg aus dieser Sache sein. Warum macht ihr euch also Sorgen?“
    Naral schwieg eine ganze Weile. Wieder einmal erhob sie sich einige Zentimeter über den Boden und diesmal erfüllte das Rauschen ihrer mächtigen Flügel die Luft.
    „Wir wissen nicht, was Gott will “, antwortete sie schließlich leise. „Vielleicht wurdest du gesandt, um dieses System zu durchbrechen und zu beenden. Vielleicht aber auch nicht. Wir wissen es einfach nicht, denn seitdem wir auf die Welt hinab gefallen sind, spricht Gott auch zu uns nicht mehr. Wir sind genauso blind, wie ihr Menschen es seid…“
     
    Eleanor hätte nicht sagen können, wie lange sie mit Naral unterwegs gewesen war. Aber irgendwann sah sie die kleine Blockhütte wieder vor sich, von der aus sie aufgebrochen waren. Noch immer standen Raphael und Uriel davor und blickten ihnen entgegen. Die letzten Meter eilte Naral fliegend voran. Sie setzte neben Uriel auf und legte ihre Hand sanft auf seine Schulter. Eleanor sah verwundert, dass die beiden einen Blick wechselten, wie man ihn sonst nur unter Liebenden erwartet hätte.
    Raphael lächelte Eleanor an. „Hast du dich gut mit Naral unterhalten?“, fragte er freundlich. „Ich dachte mir, dass ihr zwei euch eigentlich gut verstehen

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