Hoellenfeuer
dem Schatten, der mittlerweile vor ihr auf die Knie gesunken war. „Nur Gott kann das entscheiden. Aber ich wollte, dass du weißt, dass du nicht allein bist. Ich habe deine Not gesehen und ich weiß, dass du Angst hast. Ich habe gespürt, dass deine Schuldgefühle echt sind und ich werde darum beten, dass Gott dir vergibt!“
„Das wollt ihr für mich tun?“, weinte die Stimme . „Habt Dank, habt Dank, edles Fräulein. Ich wünschte, ich könnte es euch vergelten.“
Der Schatten vor Eleanor schien die Hände zu falten, als würde er Eleanor anbeten.
„Das werdet ihr bestimmt irgendwann können, William“, erwiderte Eleanor gerührt. „Wenn nicht in dieser Welt, dann in der nächsten. Ich hoffe sehr für euch, dass Gott meine Gebete hört!“
Dann wandte sie sich um und ging mit zitternden Knien auf das Licht zu, dass sie zurück in den warmen Tag führte. Draußen vor dem Eingang blinzelte sie die Tränen weg und wischte sich über die Augen. Die Strahlen der Sonne lagen warm auf ihrem Gesicht und das Zwitschern der Vögel war ihr noch nie so lebendig erschienen. Sie schloss die Augen und atmete tief durch. Es roch nach Wald – Bäumen, Gras und warmer Erde.
„Ich bin sehr beeindruckt “, erklang Raphaels Stimme neben ihr. Sie sah ihn an und erschrak beinahe vor dem ehrfürchtigen Ausdruck, mit dem er sie ansah.
„Was ist?“, fragte Eleanor und lächelte ihn unsicher an.
„Weißt du nicht, was du da gerade eben getan hast? Du hast einer verdammten Seele Hoffnung gegeben!“
Raphael lächelte. „Selbst, wenn er erst am Tag des Jüngsten Gerichts erlöst werden sollte – du hast ihm durch deine Worte genug Kraft gegeben, dass er wieder an eine Vergebung seiner Sünden glauben kann. Er hatte sich schon aufgegeben. Kein Wunder, nach über achthundert Jahren in Angst und Hoffnungslosigkeit!“
Eleanor begann langsam zu lächeln. „Denkst du, dass ich ihm geholfen habe?“
„Das hast du!“ Raphaels Stimme war fest und überzeugt. „Er ist sich vollkommen sicher, dass Gott ihn nicht völlig vergessen hat, weil du heute zu ihm gesprochen hast!“
Eleanor stockte der Atem. „Ich hoffe, er wird letzten Endes nicht enttäuscht sein.“
„Vertrau auf Gott!“, sagte Raphael lapidar. Dann nahm er sie bei der Hand und gemeinsam verließen sie den Burgberg.
Sie erreichten Stratton Hall gegen Mittag und obwohl sie das Mittagessen verpasst hatten, war Eleanor nicht hungrig. Die bisherigen Ereignisse des Tages hatten ihren Organismus gehörig durcheinander gebracht. Als sie die Eingangshalle betraten, hielt Raphael sie noch einmal zurück.
„ Ich werde heute Abend noch bei dir vorbeischauen. Bis dahin habe ich einige Dinge zu klären.“
Eleanor sah ihn fragend an.
„Ich werde mich mit Uriel und Naral beraten und ihre Meinung zu den heutigen Vorfällen einholen. Hier sind Dinge ins Rollen geraten, die zu groß für uns sind. Ich durchschaue sie noch nicht.“
Eleanor nickte. Dann legte sie ihre Hand auf Raphaels Brust. Es war eine sanfte, beinahe zärtliche Geste, die ganz von selbst gekommen war. Und noch bevor Eleanor ihre Hand zurückziehen konnte, hatte Raphael seine Hand auf die ihre gelegt.
„Ja. Komm, wenn du kannst “, sagte Eleanor leise und blickte zu ihm hoch. Raphael nickte.
Dann trennten die beiden sich. Und während Eleanor sich auf den Weg zu ihrem Zimmer machte, verließ Raphael Stratton Hall unauffällig und ohne von menschlichen Augen gesehen zu werden.
Eleanor hatte zunächst vorgehabt, sich in ihrem Zimmer ein wenig auszuruhen. Dann aber beschloss sie, sich auf die Suche nach Bess zu machen. Sie lief einige der Gänge des Haupthauses entlang, doch das westliche Treppenhaus mied sie vorerst. Dann ging sie hinaus in den Park, doch auch dort traf sie ihre Freundin nicht. Zögernd wandte sie sich ab und ging wieder ins Haus zurück. Dort jedoch traf sie auf Schwester Emily.
„Ah, da bist du ja “, sprach die Pflegerin sie freundlich an. „Schwester Veronica hat mich heute Mittag gebeten dir zu sagen, dass Bess wegen der Polizei heute nicht aufs Gelände kam. Man hat Sie einfach nicht vorgelassen, da sie weder Patientin noch Angestellte ist. Sie wird wohl morgen wieder hier sein. Ihr seid verabredet gewesen, stimmt‘s?“
Eleanor nickte stumm.
„Oh und noch etwas. Wegen des ganzen Trubels, den deine Entdeckung heute verursacht hat, finden auch morgen keine Termine bei Dr. Marcus statt. Er muss nach Bude. Irgendwelche Interviews, glaube ich.“
Das war
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