Hoellenfeuer
Gebirges.
Eleanor trat schaudernd näher an Raphaels Seite. Die schwarzen Schatten innerhalb der dichten Wolkenmassen bewegten sich merkwürdig, unregelmäßig und offenbar gegen den Wind, wie sie verwirrt feststellte. Dann jedoch erkannte sie es – was sie für finstere Wolkenfetzen gehalten hatte, waren geflügelte Wesen, die innerhalb der Wolken flogen und in großer Zahl über die Berge in das Tal eindrangen. Ihre Bewegungen waren geisterhaft, nur schwer mit dem Auge zu erfassen und ungemein verstörend.
„Das sind Asasel und die Seinen“, sagte einer der Engel in Eleanors Nähe. Ein Raunen ging durch die Menge, während alle gebannt zum Himmel starrten.
Ein schriller Schrei zerriss die kalte Luft. Die fliegenden Schatten flogen nun auf einen Punkt direkt über dem Hof des Klosters zu. Dort sammelten sie sich, ballten sich und ließen diesen Fleck immer schwärzer und unheimlicher wirken. Schließlich löste sich einer dieser Schatten aus der Wolke. Er sank hinab und blieb dann einen Steinwurf vor der im Hof wartenden Menge wenige Meter in der Luft schwebend stehen.
Es war Nathaniel, der endlich vortrat und diesen Schatten ansprach.
„ Asasel!“, rief er. „Dieser ganze Aufwand nur, um einen Menschen zu verängstigen? Uns triffst du nicht mit diesem Auftreten.“
Ein Kichern drang aus der Richtung des schwarzen Schattens. Dann änderten sich seine Form und Farbe, bis die verkrüppelte Gestalt Asasels vor ihnen in der Luft schwebte und boshaft und verschlagen zu ihnen hinüberstarrte. Langsam verzog sich sein Mund zu einer Fratze des Hohns und des Hasses.
„Ihr habt uns am Gottesberg nich t umsonst hinfortgefegt“, sprach er so leise, dass Eleanor eine Gänsehaut bekam. „Gebt uns das Mädchen heraus. Wir werden sie zu Gott zurücksenden. Wir wollen nicht zulassen, dass sie Gottes Weltordnung ins Chaos stürzt!“
Eine Weile sagte niemand ein Wort. Die finstere Wolke der fliegenden Dämonenleiber war mittlerweile zum Stillstand gekommen und hatte sich aufgelöst. Während die Engel um Eleanor herum wie immer von einem inneren, hellen Leuchten erfüllt waren, strahlten die Dämonen um Asasel herum in einem dunkelroten Licht, das unruhig und finster flackerte.
Langsam rückten die Dämonen näher, zogen ihren Kreis um die Engel in ihrer Mitte enger und enger.
„Nein!“, sagte Raphael bestimmt. Er hatte es sehr leise ausgesprochen, doch sein Nein war von jedem gehört worden. Es war auf seine eigene Art lauter gewesen als ein Schrei. Niemand hatte es überhören können.
„Nein!“, sagte Nathaniel.
„Nein!“, e rklang die helle Stimme Narals.
„Nein!“, war die zurückhaltende Stimme Uriels zu vernehmen. Belials Stimme erklang. Marahels Stimme ebenso. Mehr und mehr Stimmen fielen jetzt ein. Ein Engel nach dem anderen sagte Nein und trat näher an Eleanor heran, bis sie gänzlich von Hunderten strahlender Engelskörper umgeben war.
Eleanor hielt den Atem an. Noch nie zuvor in ihrem Leben hatte sie ein solches Gefühl des Glücks und des inneren Friedens verspürt. Das Heer der Engel um sie herum strahlte eine derartige Kraft und Stärke aus, dass diese sich auf Eleanor übertrugen und sie geradezu euphorisch werden ließen.
Doch dann brach von einem Augenblick auf den anderen die Hölle los. Das Dämonenheer entflammte in einer gigantischen Feuerlohe, die den gesamten Berg einhüllte und ihn zu verschlingen drohte. Ein Feuersturm raste um die Leiber der Engel um Eleanor. Ein ohrenbetäubendes Brüllen, Kreischen, Fauchen und Toben dröhnte um das Kloster. Die Luft flimmerte vor Hitze, Steine platzten, Dächer gingen in Flammen auf.
Jetzt erhoben sich die ersten Engel um Eleanor und griffen in den Kampf ein. Sie flogen in die Flammenwand, in der die schwarzen Leiber der Dämonen flatterten und zuckten. Der Lärm nahm nun sprunghaft zu. Kampfgeräusche drangen aus dem Feuer und immer wieder waren die Schatten der Dämonen und Engel zu sehen, die mit ihren Schwertern aufeinander einschlugen.
Die Schar um Eleanor löste sich weiter auf. Immer mehr Engel flogen nun hinauf in die Flammen um zu kämpfen. Der Himmel war nicht länger zu sehen, auch die Berge und Täler nicht. Die ganze Welt schien nur noch aus Feuer zu bestehen, war in das flackernde Licht heißer Flammen getaucht, während die Luft vor Hitze zitterte und vibrierte. Schließlich verließ auch Naral Eleanors Seite, allein Raphael blieb.
Er zog Eleanor an seine Brust und legte seine Arme um sie. So standen sie in mitten der
Weitere Kostenlose Bücher