Hoellenflirt
dich nicht dabei erwischen!«
8
»Den ersten Prügel stopfte ich in sein weit aufgerissnes Maul, er verbiss sich so stark darin, dass ich ihm mit dem anderen Prügel den Schädel einschlagen konnte. Obwohl ich voller Wucht zuschlug, dauerte es erstaunlich lange.«
D as hatte Valle an jenem Tag tatsächlich gesagt. Ich sollte mich nicht erwischen lassen. Aber genau das war passiert und der Albtraum hatte begonnen.
Und das Ende des Albtraums?
Findet hier statt, hier in der Wohnung dieser Giltine mit den Fotos von mir an der Pinnwand und dem Kaufhausdetektiv, der mitnichten tot ist, sondern in voller Lebensgröße vor mir steht.
Mit seiner Glatze und seinem ekligen Bierbauch hat sich Thor Friedrichsen breitbeinig vor mir aufgebaut und grinst mich wie ein Bescheuerter an und mir wird klar, dass ich die Einzige bin, die sich an diesem miesen, abgekarteten Spiel überhaupt nicht freuen kann.
Denn ich bin das Opfer.
Ich denke keinen Moment nach, dränge mich an Giltine und Valle vorbei, der noch etwas sagen will, schnappe mir meine Jacke und stürme aus der Wohnung.
Nur weg von all diesen Irren, nur raus hier, ich presche davon, als wäre der Teufel selbst hinter mir her, und gerade, als ich das denke, fange ich an, hysterisch zu kichern, kriege keine Luft mehr, muss stehen bleiben.
Mitten auf der Tegernseer Landstraße, Leute rempeln mich an, schimpfen.
Ich hole ein paarmal tief Luft, merke, wie die Anspannung der letzten Tage von mir abfällt, und dann verrauchten mit einem Mal aller Zorn, alle Wut, alle Fassungslosigkeit, denn jetzt bin ich nur noch erleichtert, froh, so froh, dass ich keine Mörderin bin.
Doch schon während ich zur U-Bahn-Station Silberhornstraße zurücklaufe, drehen sich in meinem Kopf die Bilder weiter. Die Fotos an der Pinnwand in Giltines Zimmer. Wozu die Fotos? Vor allem Fotos mit mir und Kati. Und dann noch Thors lachendes Gesicht, Giltine und Valle.
Valle! Wie hat er mir das antun können?
Fast zwei Tage hat er mir vorgegaukelt, dass ich schuld am Tod eines Menschen bin. Mit Absicht. Wie kann ein Freund so etwas Schreckliches tun?
Ich muss mit jemandem reden. Nein, nicht mit jemandem, sondern mit Kati. Ich will, dass Kati alles weiß. Wer Valle wirklich ist. Was er getan hat! Sie ist die Einzige, die mich versteht. Die es immer wieder schafft, mich zum Lachen zu bringen. Die mich liebt, einfach so, wie ich bin.
Als ich die Wohnungstür aufsperre, weiß ich schon im Flur, dass meine gesamte Familie zu Hause ist. Aus dem Wohnzimmer kommt der Geruch nach Perwoll, meine Mutter hängt Wäsche auf, vom Badezimmer her wabert Herbal Essences Rainforest, heißt, Kati steht unter der Dusche; und der leckerste Duft schlägt mir aus der Küche entgegen, wo Schwallfi seine einzige, leider wirklich gute Spezialität kocht: Hühnercurry in Kokosnussmilch.
All diese vertrauten Gerüche machen etwas mit mir, schließen mich aus, meine Kehle wird plötzlich eng und ich muss schlucken.
Doch zum Glück kommt da gerade Schwallfi aus der Küche und meckert mich an, wie ich aussähe, wo ich herkäme und dass ich sofort den Tisch decken solle. Keine Spur mehr von schlechtem Gewissen wegen der Sache mit der Ohrfeige. Da wird mir wieder mal klar, was für ein scheinheiliger Typ Schwallfi doch ist; auf der Oberfläche immer wie geleckt, aber darunter wohnt ein übler Diktator.
Ich muss mich zum Essen zwingen und kann es kaum erwarten, bis es vorbei ist, weil ich endlich mit Kati reden muss.
Aber Kati ist verabredet und hat es eilig, weil sie jetzt noch ihre Löwenmähne stylen will. Erst als ich ihr sage, dass ich mit ihr reden muss, weil Valle Satanist ist, hört sie auf, ihre roten Haare mit Lockenschaum durchzukneten.
Sie reißt ihre Augen auf und starrt mich an.
»Valle ist was?«
»Satanist!«
»Das klingt ja fürchterlich!«
Ihre aufgerissenen Augen machen mich wütend, vielleicht, weil ich besser auch so reagiert hätte, anstatt diesen Mistkerl so hingebungsvoll anzubeten, aber das kann ich jetzt nicht zugeben, nicht mal vor mir selbst, deswegen blaffe ich Kati an. »Klar, dass eine ehemalige Messdienerin so denkt.«
»Hey, Moment mal! Das hat doch damit nichts zu tun! Satanisten sind eindeutig Irre!« Kati schüttelt ihre halbnassen Haare.
Ja klar, meine große Schwester, die weiß wirklich immer alles ganz genau. Wie kann sie das eigentlich behaupten? Warum fragt sie mich nicht aus, anstatt solch dämliche Statements von sich zu geben? Valle ist vielleicht ein Idiot, ein mieser Typ,
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