Hoellenflirt
rumbrüllen würden.
Valles SMS kam genau zehn Tage nach unserem Treffen in seiner Wohnung.
»Morgen um 14 Uhr im Starbucks, Leopoldstraße«, schrieb er.
Ich las die kurze Nachricht, und obwohl ich es mir so fest vorgenommen hatte, explodierte ich nicht.
Ich ignorierte die SMS auch nicht, was das Naheliegende gewesen wäre. Wenn ich ehrlich war, konnte ich es kaum erwarten, ihn endlich wiederzusehen.
Und diesmal wollte ich, dass er mich schön fand, und versuchte deshalb, meine blau-pinken Haare zu überfärben. Grande Merde! Anstatt dass sich alles schön schwarz verfärbte, wurde das Pink zu schmutzigem Schweinchenrosa und das Blau wurde jägergrün. Übel!
Um das irgendwie wettzumachen, besorgte ich mir zu meiner Lederhose ein schwarzes, tief dekolletiertes Oberteil, so tief, dass sogar Schwallfi, der Gutmensch, ins Glotzen kam. Mama zog nur ihre Augenbrauen hoch, aber sagte kein Wort.
»Arbeiten wir jetzt in der Apfelbranche?«, meinte Kati und grinste mich an.
»Ich leih es dir gerne für deinen Job«, pfefferte ich zurück, »falls du mal etwas anderes als Staatstrauer tragen willst.«
Schwallfi murmelte daraufhin in seinem Ich verstehe ja alles, aber es ist nicht leicht -Ton etwas von »ständigem Zickenkrieg«, während Mama nur lachte und ihm erklärte, dass das gar nichts zu bedeuten hatte. Er stimmte ihr sofort zu, wie immer. Die beiden streiten sich fast nie, mit Ausnahme, wenn es um Schwallfis Sammelleidenschaft für alten Elektrokram geht.
Valle wartete schon im Café, als ich kam. Er lümmelte nicht wie alle anderen herum, sondern saß gerade auf seinem Stuhl, schwarz angezogen und so aufrecht, dass ich unwillkürlich an Edgar Allan Poes Gedicht »The Raven« denken musste. Und als er mir dann sein Gesicht zuwandte, war da wieder dieser Blick, den ich nicht vergessen hatte können.
Im Gegensatz zu allen Jungs, die ich kannte, ließ er sich nicht von meinem Riesenausschnitt ablenken, sondern schien sich nur auf mich und meine Augen zu konzentrieren, auf mein Inneres, mit diesen blaugrün schillernden Seehimmeln schaute er direkt in mich hinein.
Ich versuchte zurückzustarren, aber natürlich sah ich als Erste weg. Nicht weil ich zu schwach war, nein, sondern weil ich Angst hatte, er könnte in meinen Gefühlen wie in einem Buch lesen.
Er wirkte unnahbar in seinem schwarzen Rollkragenpullover, irgendwie distanziert und in diesem Moment fühlte ich mich unendlich provoziert.
Ich weiß nicht mehr genau, warum ich den Vorschlag gemacht habe. Eigentlich wollte ich nur, dass er mich endlich ernst nahm, wollte, dass er mich bewunderte, wollte, dass er stolz auf mich war. Ich hatte keine Lust, die lächerliche Toni zu sein, wie er es ausgedrückt hatte. Die Toni, die wie eine Hardcorepunkerin herumlief mit nichts dahinter. Ich wollte etwas Ungesetzliches tun, wollte ihm und auch mir zeigen, dass nur ich in meinem Leben darüber entschied, was richtig und was falsch war. Mein Leben sollte nicht länger Fassade sein.
Ich setzte mich neben ihn und sagte mit kühler Stimme: »Hör zu. Ich habe nachgedacht. Ich habe mich informiert. Und ich habe beschlossen, an meine Grenzen zu gehen. Ich will mich einem Zustand aussetzen, in dem ich noch nie war, um mich selbst kennenzulernen.«
Ich fand, dass ich mich fast schon teuflisch lässig anhörte.
»Und an was hast du da gedacht?«, fragte er. Jetzt wirkte er viel interessierter. Er beugte sich näher, hellwach, neugierig. Schade nur, dass sein Schlüsselbein mit der pochenden Ader heute unter seinem Rollkragenpullover verborgen blieb.
Ich überlegte rasend schnell, schließlich war das, was ich gesagt hatte, völlig spontan gewesen. Aber dann fiel mir etwas ein.
»Ich dachte, ich klaue etwas. In einem Laden, wo es wirklich gefährlich ist. Mit Kaufhausdetektiv und Videokameras.«
Er lachte. »Satanisten vergreifen sich eigentlich nicht am Eigentum anderer«, sagte er. Doch seine Augen flackerten und ich spürte, dass ich ihn an der Angel hatte.
Endlich! Das erste Mal, seit wir uns kannten, hatte ich das Gefühl, die Oberhand zu haben!
»Langweiliger Laden, ihr Satanisten«, sagte ich.
Er hob die Augenbrauen, dann grinste er. »Kommt drauf an. Als Satanist sage ich dir nämlich auch: Etwas Riskantes reinigt dich von jeder Schwäche, du fühlst dich danach so stark, als hättest du dir einen Haufen Koks reingezogen. Du wirst sehen, das ist ein richtiger Kick.« Seine Augen leuchteten. »Wenn du’s also wirklich tun willst, dann mach es. Aber lass
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