Hoellenflirt
Schwachstellen hinweisen, aber mal ehrlich, wem wäre damit gedient? Ich könnte das Ganze auch von jemand anderem verfassen lassen und nur unterschreiben. Was gibt euch die Sicherheit, dass der Unterzeichnende auch der Verfasser ist? Und genau deshalb verweigere ich diese Aufgabe, denn sie beleidigt meine Intelligenz.
Diese meine Intelligenz verbietet mir auch, daran zu glauben, dass Satan ein lächerlich bockbeiniger, ziegenbärtiger Kerl ist, weshalb ich vorschlagen würde, das Baphomet zu ändern. In die Mitte sollte kein Ziegenbockkopf, sondern das Porträt eines schönen jungen Mädchens sein oder wenigstens das von einem Adonis.
In der Anlage schicke ich mal einen Entwurf mit. Nicht übel, oder? Da auch der Doc ein überragend intelligenter Mann war, bin ich sicher, dass er begeistert wäre, wenn sich endlich jemand nach über vierzig Jahren traut und den Staub vom Emblem fegt. Auch euer Internetauftritt erinnert an all die alten Kerle, die heutzutage eine Harley-Davidson fahren. Man könnte glauben, ihr denkt, dass Satan längst tot ist. Dabei lebt er.
So wie ich lebe – oder besser gesagt: weil ich lebe?
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»Hier oben funktionierte mein Handy nicht. Ich musste runter zur Darsberghütte, fotografierte mein Geschenk, markierte den Weg mit Stofffetzen, die ich aus meinem Umhang riss, rannte zur Hütte, wo ich sie anrief und meine Anweisungen gab. Dann dankte ich dem Bringer des Lichts für diese Gabe.«
A ls um kurz vor drei Uhr das Handy neben meinem Ohr vibriert, reißt es mich aus einem düsteren Traum. Ich stand auf einer Bühne und konnte keinen Ton herausbringen. Die Band wartete hinter mir, und als ich nicht anfing zu singen, begannen sie zu lachen, sie lachten mich aus und am lautesten lachte Robert.
Noch ganz benommen setze ich mich im Bett auf. Doch als mir wieder einfällt, warum ich den Wecker gestellt habe, bin ich schlagartig wach.
Leise ziehe ich mich an, erwarte jeden Moment, dass Schwallfi aufs Klo schlurft und mich erwischt, aber es bleibt still in der Wohnung – sogar als ich den Schlüssel umdrehe und die Tür zum Hausflur aufsperre und es mir so vorkommt, als würde das Klirren des Schlüsselbunds sich anhören wie Heavy Metal.
Ich schleiche auf Socken aus der Wohnung, versuche, die Tür so sanft wie möglich zu schließen, und ziehe mir erst im Treppenhaus die Schuhe an.
Irgendwie wundert es mich, dass das so problemlos geklappt hat. Heißt es nicht immer, Mütter hätten so etwas wie einen sechsten Sinn?
Valle steht schon unten vor unserer Haustür.
»Ganz schön kalt für November, oder?«, sagt er und lächelt mich an, doch sein Lächeln wirkt gequält.
»Und wo ist deine Kutte?«, frage ich.
»Wir halten unsere Messe immer nackt ab.« Jetzt wird sein Grinsen spöttisch.
»Wir müssen dort drüben lang.« Er geht neben mir zur Straßenbahnhaltestelle.
Die Stimmung zwischen uns ist seltsam angespannt, trotz des Scherzes. Er holt ein paarmal Luft, als wollte er etwas sagen, bleibt dann aber stumm und ich denke nicht daran, ihm die Genugtuung zu geben nachzufragen. Kurz bevor wir an der Haltestelle angelangt sind, sagt er dann doch etwas. »Eigentlich müsste ich dir die Augen verbinden. Du darfst erst dann sehen, wo unser Ritualraum ist, wenn du endgültig zu uns gehörst, zum Orden V.I.S., dem Vivat Imperium Satanas. Aber ich vertraue dir. Ich...«
Er verstummt, weil in diesem Augenblick die Tram die Haltestelle erreicht und wir einsteigen.
Wir fahren mit der Nachttram Richtung Schwabing. Außer uns sitzen nur einige wenige Betrunkene und Obdachlose in der Bahn. Auf dem Boden sind Pfützen, die nach Bier stinken.
»Toni!« Valle nimmt meine Hand und hält sie sehr fest. »Wenn diese Messe vorbei ist, dann muss ich mit dir reden. Kannst du ein Geheimnis für dich behalten?«
»Ein Geheimnis? Warum sagst du’s mir nicht jetzt gleich?«, sage ich schnippisch.
»Weil du keine gute Schauspielerin bist und es deshalb zu gefährlich für dich wäre.« Er drückt meine Hand noch einmal und lässt sie dann los.
Jetzt bin ich verwirrt. Ich weiß nicht, womit ich genau gerechnet habe. Damit bestimmt nicht.
»Aber...«
Er schaut sich in der Tram um, als wäre er ein Spion, der gleich irgendwelche Staatsgeheimnisse verraten wird, dann schüttelt er den Kopf. »Toni, ich hab schon zu viel riskiert, um jetzt alles zu ruinieren. Und was noch schlimmer ist, ich hab dich mit reingezogen. Das hätte ich niemals tun dürfen. Versprich mir, dass du gut auf deine Schwester
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