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Hoellenflirt

Hoellenflirt

Titel: Hoellenflirt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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lang ist wie ich. Wozu braucht man so ein großes Schwert? Unwillkürlich muss ich doch an Blutopfer denken.
    Komischerweise gruselt mich das aber gar nicht, sondern ich spüre ein aufgeregtes Kribbeln im Bauch wie bei unseren Bandauftritten, kurz bevor ich auf die Bühne muss.
    Im Hintergrund läuft Musik, die mich irritiert, weil ich sie eher im Esoterikladen vermutet hätte als hier, eine Art atmosphärisches Klingklongklong. Plötzlich kommt mir das alles vor wie ein absurdes Theaterstück, eine Art Show, in der sich schüchterne Typen maskieren, um sich dann mordswichtig zu fühlen. Aber Valle hat so was nicht nötig. Warum macht er hier mit? Wenn ich nur wüsste, was er vorhin in der Tram gemeint hat.
    Schweigend warten die anderen darauf, dass wir unseren Platz einnehmen. Valle bedeutet mir, neben ihm stehen zu bleiben, dann nickt er Giltine zu.
    Thor reicht Giltine eine große silbern schimmernde Glocke, die sie sechsmal schlägt.
    »Sechs Minuten Silentium!«
    Wieso reden die Latein? Überhaupt, warum hat die Gruppe einen lateinischen Namen? Ist Luzifer altmodischer als der Papst?
    Alle schließen ihre Augen und plötzlich erscheint mir der Raum noch stiller als eben. Dabei wird die Musik lauter und geht in ein merkwürdig bedrohliches Knistern über, das in gewaltigen Paukenschlägen mündet.
    Plötzlich erkenne ich, was das ist. Richard Strauss, »Also sprach Zarathustra«. Schwallfi hat die CD.
    Ich öffne meine Augenlider gerade so weit, dass ich etwas sehen kann.
    Giltine denkt offensichtlich nicht daran, ihren eigenen Anweisungen zu folgen. Auch sie hat die Augen offen, zupft an ihrer Kutte herum, schlägt die Kapuze zurück und drapiert ihre langen Haare über der Schulter. Dann kontrolliert sie, ob alle Gruppenmitglieder die Augen geschlossen haben. Ob sie gesehen hat, dass ich sie beobachte? Mein Herz klopft schneller, als sie vor mich tritt, aber natürlich habe ich jetzt die Augen geschlossen, sie geht sofort weiter.
    Kaum ist sie weg, spähe ich wieder zu ihr hinüber. Und dann tut sie etwas sehr Merkwürdiges: Sie läuft zum Wandbehang, zieht ihn zur Seite und flüstert etwas, als würde dort jemand stehen. Ihre Schultern zucken, ich kann nicht wirklich etwas hören, vielleicht ein leises Zischen, dann lässt sie das schwere Tuch fallen und stellt sich in Position. Ich kneife meine Augen zusammen; der Wandbehang hängt ganz glatt herunter, dort kann eigentlich niemand stehen. Jedenfalls kein Mensch. Mir läuft ein Schauer über den Rücken.
    Kann es sein, dass sie mit einem Geistwesen gesprochen hat? Nein, Quatsch, hey, Toni, cool bleiben.
    Alles nur Maskerade. Oder doch nicht?
    Ich betrachte noch einmal das Baphomet mit dem hässlichen Ziegenbockkopf. Und plötzlich – ich muss mich sehr beherrschen, um die Augen nicht weit aufzureißen – bilde ich mir ein, dass der Ziegenbock mich anschaut, sein Blick trifft mich, seine Augen sind lebendig, bewegen sich.
    Ob sie vielleicht Drogen oder irgendein Gas hier im Raum verteilt haben, die Sinnestäuschungen hervorrufen?
    Giltine schlägt wieder die Glocke, alle öffnen die Augen und schauen sie an.
    Sie streckt ihre Arme nach oben, Arme, die sich seltsam weiß und nackt von ihren schwarzen Kuttenärmeln abheben. Mit lauter Stimme fängt sie an zu sprechen:
    »Schwarzes Licht,
    Schwarze Flamme,
    Schwarzes Feuer,
    erleuchte unseren Geist
    unendlich
    unbegrenzt
    atme durch uns ein und aus
    ein und aus
    ein und aus...«
    Beim »ein und aus« atmen alle hörbar ein und aus, ich atme unwillkürlich mit, schiele dabei zum Wandbehang, ja, diese Augen sehen aus wie echt. Oder könnte es sein, dass dieser Wandbehang Glasaugen hat?
    Ich atme automatisch mit der Gruppe mit, weiß nicht, wie lange wir das tun, aber ich merke, wie ich immer ruhiger werde. Egal, ob dort echte Augen sind, egal, ob Valle Luzifer anbetet, egal, dass ich eigentlich hier bin, um mich an Giltine und ihren beiden Gruppen zu rächen, egal, egal, egal.
    Es ist so, als ob ich nur mit meinem Atem allen Ballast aus meinem Kopf hinausschaffen könnte.
    »Ein und aus
    ein und aus...«
    Dann schlägt Giltine sechsmal mit der Glocke und ich fühle mich unglaublich wach.
    Giltine wendet sich zum Altar, malt ein Pentagramm in die Luft, dreht sich wieder zu uns und ruft, wobei sie ihre Arme hebt:
    »Centum Regnum Chiamata Di Lucifero,
    Luzifer!«
    Alle Anwesenden wiederholen den Namen Luzifer und es kommt mir wie die natürlichste Sache der Welt vor, Luzifer zu rufen. Dann geht es weiter mit Ouia,

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