Hoellenflirt
Posaunenengeln vorbei und schaue hinter dem Altar nach, aber da ist keine Tür, kein Eingang.
Dort neben der Nische, wo der große Abendmahlpokal steht, ist ein Wandbehang. Vorsichtig schiebe ich den Stoff beiseite und kann in dem dämmrigen Licht, das hier im Altarraum herrscht, tatsächlich die Umrisse einer Tür erkennen.
Ich schaue mich ein letztes Mal um, gerade bewegt sich schon wieder die Haupttür. Schnell drücke ich die Klinke, und als sich die Tür geschmeidig öffnet, stürze ich beinahe, denn gleich hinter der Tür beginnt eine Treppe. Vorsichtig schleiche ich die Stufen hinunter. Sie führen auf einen schmalen Gang. Es ist finster hier unten, ich kann kaum etwas erkennen. Mein Herz schlägt wie wild gegen meine Rippen und plötzlich habe ich Angst, dass ich hier nicht alleine bin. Was, wenn ich dem Pfarrer über den Weg laufe? Dann sage ich einfach, dass ich zur Beichte wollte, und tue verwirrt. Zu beichten hätte ich schließlich mehr als genug.
Auf der rechten Seite des Ganges hängen Priesterroben an der Wand. Am Ende des Flurs entdecke ich zwei Türen. Hinter der linken stoße ich auf eine Art Abstellkammer, aber die rechte Tür führt in einen Flur, von dem wieder etliche Türen abgehen. Wie soll ich nur jemals wieder in die Kirche zurückfinden?
Ich bleibe einen Moment stehen, schließe die Augen und versuche, mir den Grundriss der Kirche vorzustellen. Schließlich entscheide ich mich für die letzte Tür. Auch diese Tür ist nicht verschlossen, und nachdem ich sie wieder hinter mir zugezogen habe, halte ich kurz inne, um mich zu orientieren. Ich stehe vor einer Treppe, die sowohl nach oben führt – ich vermute, dass das der Zugang zum Ostturm sein muss – als auch nach unten.
Ich atme tief durch und beginne dann, die Treppe nach unten zu laufen, plötzlich voller Panik, dass Thor oder Giltine hier aufkreuzen könnten. Ich nehme zwei Stufen auf einmal, bis ich am Ende der Treppe ankomme.
Hier stehen Kartons mit angeschimmelten Gebetbüchern. Und es wird dunkler, ich finde keinen Lichtschalter. Ich taste mich vorwärts, stoße mir das Schienbein an etwas Hartem, nach und nach gewöhnen sich meine Augen an die Dunkelheit und ich erkenne, dass es sich um altes Chorgestühl handelt.
Weiter, Toni, weiter.
Jetzt ist es fast so dunkel, als würde ich eine Augenbinde wie gestern Nacht tragen. Der Gang kreuzt wieder einen anderen. Oh Mann, ich komme mir vor wie in einem Labyrinth. Und nun?
Ich halte einen Augenblick inne und da – ein Geräusch.
Ratten, hier laufen bestimmt hungrige, hasengroße Ratten herum. Wie gut, dass ich meine Lederstiefel anhabe. Trotzdem schüttelt es mich.
Da wieder. Aber das ist kein Scharren oder Huschen, das klingt ganz anders.
Ich schleiche in die Richtung, aus der das Geräusch kommt. Wind, der durch Ritzen heult? Im Keller? Ich gehe weiter. Es ist kein Heulen, eher ein Jammern, das Stöhnen eines Menschen.
Valle?
Mit laut pochendem Herzen schleiche ich weiter. Meine Hände sind schweißnass und ich merke, wie kalt es hier unten in diesem Gemäuer ist. Meine Finger fühlen sich taub an. Schließlich stehe ich vor einer Tür. Das Geräusch ist nun noch lauter zu hören.
Was, wenn Valle nicht alleine hier ist? Wenn jemand bei ihm ist, irgendein Folterknecht?
Entschlossen schiebe ich alle Angst von mir. Ich muss da jetzt rein!
Ich halte die Luft an, lege meine klammen Finger um die Klinke, drücke fest nach unten, stoße die Tür auf. Und bleibe wie angewurzelt stehen, weil ich nicht glauben kann, was ich da sehe.
Es ist der Raum, in dem die Messe stattgefunden hat. Der Altar wurde von der Wand und dem Baphomet weggerückt und steht nun in der Mitte des Raumes.
Über den Altar ist ein schwarzes Tuch ausgebreitet, rechts und links stehen jeweils sechs flackernde schwarze Kerzen, aber das Schlimmste ist das, was sich auf dem Altar befindet:
Valle.
Er liegt nur mit einem Tuch über den Hüften auf dem Altar, zusammengekrümmt, über den ganzen Körper sind Schnittwunden verteilt, aus denen Blut sickert, was im Kerzenlicht gespenstisch aussieht. Ich stürze zu ihm, traue mich aber nicht, ihn anzufassen. »Valle, Valle«, flüstere ich, »kannst du mich hören?«
Keine Reaktion. Sein Atem geht flach.
»Valle!« Jetzt rüttle ich ihn doch an der Schulter.
Er blinzelt, dann öffnet er die Augen und verzieht den Mund, als könnte er sich nicht entscheiden, ob er lachen oder weinen soll.
»Hmm«, sagt er.
Ich möchte ihm so viele Fragen stellen, in meinem
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