Hoellenflirt
in mir sträubt sich dagegen, aber ich muss das jetzt tun. Ich schlage ihm auf die Wange, einmal, zweimal. Keine Reaktion, er bleibt völlig leblos liegen.
Ich versuche, ihn aufzuheben, packe ihn mit dem Rettungsgriff, den wir im Erste-Hilfe-Kurs gelernt haben, aber ich bin zu schwach.
Verdammt.
Was jetzt? Ich kann ihn doch nicht so liegen lassen, hier auf dem kalten Boden. Ich habe alles nur schlimmer gemacht. Ich hätte bei der Polizei anrufen sollen – wie bin ich nur auf diese verrückte Idee gekommen, alleine hierherzugehen? Ich brauche Hilfe, und zwar sofort. Ich muss einen Krankenwagen rufen.
Ich bücke mich zu ihm, versuche, das Altartuch unter ihm so zurechtzuziehen, dass er nicht direkt auf dem dreckigen Kellerboden liegen muss, küsse ihn auf den Mund, dann rase ich los.
Suche im Laufen nach meinem Handy, sofort muss ein Krankenwagen her, wieso habe ich nicht gleich daran gedacht? Wie konnte ich glauben, ich würde das allein schaffen?
Ich versuche es schon in den Gängen, aber ich habe keinen Empfang. Ich muss nach oben, verdammt, wo war nur diese Treppe? Ich stolpere im Dunklen über eine Kiste, rapple mich auf und suche diese gottverdammte Treppe.
Da ist eine Tür. Ich reiße sie auf, bitte, die Treppe, bitte, bitte – oder meinetwegen der Pfarrer oder der Kirchendiener, irgendjemand!
Nichts, nur ein leerer Raum.
Ich renne im Dunklen weiter, versuche, mich zu erinnern, da kommt wieder eine Tür.
Und diesmal führt sie tatsächlich zur Treppe, ich rase hoch, aber selbst dort habe ich noch immer keinen Empfang. Ich renne weiter und weiter, die Treppen scheinen kein Ende zu nehmen, mein Atem geht stoßweise. Als ich endlich das Ende der Stufen erreicht habe, wird mir bewusst, dass ich in einem der Türme gelandet bin. Hektisch zerre ich an der Eisenklinke und stehe plötzlich draußen auf der winzigen Brüstung des Kirchturms. Der Wind reißt mir beinahe das Handy aus der Hand. Endlich Empfang, ich wähle den Notruf.
Ich bin so außer Atem, dass sie mich dreimal fragen müssen, wie ich heiße; ist doch egal, wie ich heiße, es geht hier um einen Notfall. »Kommen Sie schnell zur St.-Angela-Kirche, sofort!«
Der Wind heult so laut, dass ich kaum verstehe, was am anderen Ende der Leitung gesagt wird.
»Wie bitte?«
»Was ist denn passiert?«
»Hier stirbt jemand, im Keller! Bitte kommen Sie sofort.« Meine Stimme überschlägt sich, ich schreie, Tränen laufen über mein Gesicht.
»Beruhigen Sie sich«, sagt der Mensch am Telefon. »Sie müssen uns genau sagen, was passiert ist. Muss die Feuerwehr auch kommen oder die Polizei? Handelt es sich um einen Unfall?«
»Keine Ahnung, aber schicken Sie endlich jemanden her.«
»Und wohin genau?«
»In den Keller der St.-Angela-Kirche. Bringen Sie einen Arzt mit.«
»Bleiben Sie am Apparat. Ein Einsatzwagen ist schon unterwegs.«
Ich höre aber nur den Wind und keine Sirenen, überlege kurz, was ich jetzt tun soll. Ich muss schleunigst wieder nach unten, muss den Sanitätern helfen, Valle zu finden.
Ich drücke den Anruf weg, stecke das Handy ein und renne die Treppen des Turms hinunter. Wieder brauche ich viel zu lange, bis ich den richtigen Eingang in den Hauptraum der Kirche gefunden habe.
Noch immer höre ich keine Sirenen.
Die Mauern der Kirche sind zu dick, tröste ich mich.
Ich zucke zurück, weil direkt vor dem Altar eine kleine Gruppe von Touristen steht, die andächtig einem Vortrag ihres Reiseführers lauscht. Die Leute erschrecken und starren mich an, egal, ich renne die Stufen des Altars hinunter, durch die Kirche nach draußen.
Stürme hinüber zum Seiteneingang, weil das schneller gehen würde, aber der ist immer noch abgeschlossen. Wieso ist in dieser verdammten Kirche niemand, der dazugehört? Der Pfarrer, der Mesner, die Putzfrau, irgendjemand muss doch hier sein!
Jetzt höre ich die Martinshörner, endlich steht der Krankenwagen vor der Kirche. Ich renne auf die beiden Sanitäter zu.
»In der Kirche im Keller«, presse ich hervor, als ich vor den jungen Typen zum Stehen komme, die mich erst einmal mustern und sich dann schulterzuckend merkwürdige Blicke zuwerfen.
»Wo ist der Arzt?«, frage ich.
»Kommt noch«, sagt der Blonde, er hat seine langen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden.
»Los, wir haben keine Zeit«, schreie ich, »vielleicht stirbt er! Und wir brauchen eine Trage!«
Die beiden holen die Trage aus dem Rettungswagen – im Zeitlupentempo, wie ich finde – und folgen mir dann. Ich stürze wieder in
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