Hoellenflirt
die Kirche, diesmal rufe ich den Leuten zu: »Ein Notfall, es handelt sich um einen Notfall!« – und ich habe den Eindruck, dass die Sanitäter jetzt doch etwas schneller laufen. Die Gruppe weicht vom Altar zurück, ich bete, dass ich mich diesmal nicht verlaufe.
Die Sanitäter folgen mir in den Keller, was sich mit der Trage schwierig gestaltet. Vorhin ist mir gar nicht aufgefallen, dass die Treppenaufgänge fast so eng wie in einem Schneckenhaus sind. Ich drängle trotzdem, laufe voraus, hoffe, dass ich den richtigen Weg nehme.
Und ja, endlich, dort vor mir ist die richtige Tür, ich reiße sie auf, rufe den Sanitätern zu, dass sie herkommen sollen, und bleibe wie angewurzelt auf der Türschwelle stehen.
Der Raum ist leer. Valle ist weg.
Ich sehe noch einmal hin.
Ja, der Raum ist wirklich der richtige, der Altar steht noch da und dann bemerke ich erst, dass nicht nur Valle verschwunden ist, auch die Kerzen und der Wandbehang sind weg, das Baphomet – nichts von alldem ist zu sehen.
»Valle! Valle! Wo bist du?« Panik steigt in mir auf, ich renne hinaus, laufe in den Flur, reiße jede Tür auf, die ich finden kann, nirgends eine Spur von Valle.
Die Sanitäter haben es aufgegeben, mir zu folgen, sie stehen einfach nur da und mustern mich.
»Die andere Richtung!«, keuche ich und versuche dort mein Glück.
Nichts. Es ist, als ob nie jemand hier gewesen wäre. Ich bin dermaßen außer mir vor Zorn, dass ich mit den Schuhen gegen die letzte Tür trete, wieder und wieder.
Bis mir jemand eine Hand auf die Schulter legt.
Der Sanitäter mit dem blonden Pferdeschwanz sieht mich freundlich an.
»Hey, hey, was ist denn eigentlich los?«
Der andere hat die Trage abgestellt. »Du ziehst hier eine ganz schön merkwürdige Nummer ab!«
»Hier unten war ein Schwerverletzter.« Ich stammle bloß noch.
Die beiden werfen sich einen Blick zu. »Und wo soll der jetzt sein?«, fragt der mit der Trage.
»Ich weiß es nicht.« Über meine Lippen kommt nicht mehr als ein heiseres Flüstern. Ich fange an zu weinen, fühle mich so hilflos und allein wie selten zuvor in meinem Leben.
Die beiden kommen einen Schritt auf mich zu, packen mich rechts und links unter dem Arm.
»Jetzt gehen wir erst mal wieder nach oben und dann erzählst du uns die ganze Geschichte, ja?«, sagt der mit dem Pferdeschwanz freundlich, aber der Unterton ist sonnenklar – die denken, ich ticke nicht ganz richtig.
»Lassen Sie mich sofort los!«, brülle ich.
»Gleich, wenn wir oben sind. Das ist nur zu deiner Sicherheit.«
Ich zerre an den Armen der beiden, aber sie halten mich fest umklammert. Plötzlich habe ich schreckliche Angst, dass auch sie zu diesem satanischen Orden gehören könnten, frage mich, ob sie vielleicht bei der Messe waren, in Kutten verhüllt, und genau wissen, was hier los ist.
Aber dann zwinge ich mich, ruhiger zu werden. Ich darf jetzt nicht durchdrehen. Einatmen, ausatmen. Ich muss sie dazu bringen, mir zu glauben.
Brav gehe ich neben ihnen die Stufen hoch. Draußen vor der Kirche hat sich ein riesiger Menschenauflauf gebildet. Weil alle sehen wollen, wie der Herr Pfarrer hier herausgetragen wird, oder warum?
Die Sanitäter versuchen, die Leute zu verscheuchen. »Es gibt hier nichts zu sehen. Bitte gehen Sie weiter!«
Aber ich werde trotzdem von allen Seiten angestarrt und irgendein Idiot macht auch noch Fotos von mir. Jedenfalls blitzt es. Und dieser Blitz wirkt wie ein Schlag auf den Kopf. Ich schaue an mir herunter und plötzlich wird mir klar, wie ich aussehe. Ich trage die offene Lederjacke direkt über dem BH, meine Schnürsenkel sind aufgegangen, an meinen Hän den klebt Blut, mein Gesicht ist wahrscheinlich dreckverschmiert.
Ich kann froh sein, wenn sie mich nicht in eine Zwangsjacke stecken. Ich muss mit den Sanitätern reden, ihnen alles erklären. Die beiden steigen mit mir ein, schnallen mich an einem Sitz fest.
»Es tut mir leid, dass Sie umsonst gekommen sind«, versuche ich einen freundlichen Ton und setze ein Lächeln auf. »Aber im Keller war wirklich ein Schwerverletzter.«
»Und wie ist der dorthin gekommen?«
»Dort unten ist der Ritualraum einer Gruppe von Satanisten. Sie sind dafür verantwortlich.«
Ich denke, es ist langsam Zeit, irgendjemandem die Wahrheit zu sagen. Alles andere wäre jetzt auch sinnlos. »Sie wollten meinen Freund bestrafen, Valle hat irgendwas über sie herausgefunden. Genau wie sein Bruder.«
Die beiden schauen sich an.
»Satanisten!«, sagt der eine und um seine
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