Hoellenfluestern
…
Becks unheilvoller Gesichtsausdruck verriet, dass ihm genau das Gleiche durch den Kopf ging.
Riley kletterte in seinen roten Pick-up, dann beschrieb sie ihm den Weg zur Fabrik. Mit abgewandtem Blick sah sie die Straßen an sich vorbeiziehen. Nur wenige Menschen waren draußen unterwegs, und einige von ihnen waren offensichtlich betrunken, so wie sie auf den Gehwegen hin- und herschwankten. Während der Truck in Richtung East Point rollte, war die Stille zwischen ihnen so schneidend, dass Blut geflossen wäre, wenn sie physische Gestalt angenommen hätte. Eine Panikattacke bahnte sich an – das Atmen fiel ihr schwer, und in ihrem Kopf drehte sich alles. Sie kurbelte das Fenster herunter und sog, so kräftig sie konnte, die frische Luft ein. Dabei versuchte sie an etwas anderes zu denken als daran, dass sie die nächsten Stunden mit jemandem verbringen würde, der sie hasste.
»Mach das verdammte Fenster zu«, knurrte Beck. »Es ist kalt.« Der nächste Atemzug fiel ihr noch schwerer, und er bemerkte es. »Alles okay?«
Riley schüttelte den Kopf und gab sich alle Mühe, dass ihre Lungen sich nicht noch weiter zusammenzogen.
»Soll ich anhalten?«
Erneut schüttelte sie den Kopf, konzentrierte sich auf Peter und wie großartig er sich gehalten hatte, als er die Wahrheit über Ori erfahren hatte. Warum kann Beck nicht auch so sein?
Langsam ließ das Engegefühl nach, und das Atmen fiel ihr wieder leichter. Riley kurbelte das Fenster hoch und lehnte sich im Sitz zurück.
»Ist es jetzt besser?«, fragte Beck.
»Ja.«
»Was zum Teufel war das?«
»Panikattacke«, sagte sie. »Hab ich gerade öfter.«
Er grunzte etwas, dann legte er eine CD ein. Er übersprang die ersten beiden Titel und ging direkt zum dritten. Das Stück war leise und traurig, und die Botschaft war eindeutig: Ich habe dir mein Herz gegeben, und du hast es gebrochen. Ich werde dir nie wieder vertrauen.
Schuldgefühle waren eine Sache. Ihre Sünden um die Ohren gehauen zu bekommen war eine andere. Riley drückte den Knopf, der die CD wieder auswarf, was ihr prompt einen zornigen Blick von Beck eintrug.
»Wenn dir meine Musik nicht gefällt, steig aus«, sagte er.
»Geht nicht. Stewart sagt, ich soll bei dir bleiben, also bleibt mir nichts anderes übrig.«
»Tja, dasselbe gilt für mich, Mädel.«
Die Frage war heraus, ehe sie sich zurückhalten konnte. »Warum hast du den Jägern verraten, dass ich bei dir zu Hause bin?«
»Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.«
»Du hast telefoniert, als du weggefahren bist. Du hast sie angerufen, stimmt’s?«
»Nein, ich habe Stewart angerufen, und er hat mir die Hölle heißgemacht, weil ich dich nicht zu ihm gebracht habe. Als ich wieder zurückkam, um dich abzuholen, waren die Jäger schon da.«
»Ich dachte …« Sie hatte ihm zu voreilig die Schuld gegeben.
»Du hast falsch gedacht.« Er schob die CD wieder rein, und die Musik übertönte alles, was sie zur Entschuldigung vielleicht hätte vorbringen können.
Nach einer halben Ewigkeit mit depressiver Country-Musik erreichten sie das Lagerhaus. Die Gegend war genauso bedrückend wie in der Nacht zuvor. Das Industriegebiet hatte schon bessere Zeiten gesehen, und das Elend war deutlich an den eingeschlagenen Fensterscheiben und den drastischen Gang-Graffiti abzulesen. Ein Gebäude war niedergebrannt und schien jetzt der Nachbarschaft als Müllkippe zu dienen, worauf ein ausrangiertes Sofa hindeutete.
Rasch manövrierte Beck den Wagen durch die Gegend, bis er rückwärts in einer Seitenstraße stand. Erst dann stieg er aus, seine Reisetasche über der Schulter. Oben aus der Tasche ragte das Stahlrohr.
»Wo standet ihr, als ihr gefilmt habt?«, fragte er schroff.
»Auf dem Dach da«, sagte sie und deutete nach oben. Er musterte den Ort und grunzte beifällig über ihre Wahl. Sie überquerten die Straße und stiegen in das Gebäude ein.
Nach ein paar Schritten blieb Beck stehen. »Du hast nicht gesagt, dass es ein Junkie-Paradies ist.«
»Pass auf, wo du hintrittst, dann passiert dir schon nichts«, sagte sie und schob sich an ihm vorbei. Er packte ihren Arm, doch sie riss sich los. »Ich kenne den besten Weg zum Dach, also hör auf, den Helden zu spielen, und lass mich vorgehen.«
»Dann mach doch, Mädel. Aber pup mich nicht an, wenn du dir deine Beine brichst.«
Als Riley das Dach erreicht hatte, hatte sie sich weder ein Bein noch irgendetwas anderes gebrochen. Sobald Beck bei ihr war, räumte sie die Trümmer vorsichtig wieder
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