Höllenflut
der am Ruder stand,
nickte lediglich, während er das Boot an den Kühen
vorbeisteuerte, die an den Uferdämmen am Unterlauf des
Mississippi grasten.
Das hier war das Land der Cajuns, die letzte Heimstatt der
französischakadischen Kultur in Südlouisiana. Pickups parkten
neben den aus Dachpappe und Brettern zusammengezimmerten,
auf Pfählen ruhenden Hütten. Ab und zu sah man eine kleine
Baptistenkirche, von deren Holzwänden die Farbe abblätterte,
im Sumpfland stehen und über die verwitterten oberirdischen
Grabmäler wachen. Auf den fruchtbaren Feldern rundum
wuchsen Sojabohnen und Mais, in den künstlich angelegten
Teichen der Fischfarmen wurde der berühmte Catfish gezogen,
der als Speisefisch begehrte Flußwels des Mississippi. Kleine
Eisenwarenläden und Lebensmittelgeschäfte standen an den
schmalen Landstraßen, gelegentlich auch eine von rostigen, halb
überwucherten Autowracks umgebene Reparaturwerkstatt.
Generalmajor Frank Montaigne betrachtete die
vorbeiziehende Landschaft, während das Vermessungsboot
durch den leichten Morgennebel flußabwärts fuhr. Er war Ende
Fünfzig, trug einen hellgrauen Anzug, ein gestreiftes blaues
Hemd und eine burgunderrote Fliege. Unter der offenen Jacke
war die goldene Uhrkette zu sehen, die an seiner Weste prangte.
Ein teurer Panamahut, den er keck zurückgeschoben hatte, saß
auf den stahlgrauen, wellig nach hinten gekämmten Haaren. Die
Augenbrauen waren nach wie vor schwarz, die Augen graublau.
Er wirkte wie aus dem Ei gepellt, strahlte dabei aber auch eine
gewisse Härte aus, die sich nicht auf den ersten Blick kundtat.
Sein Erkennungszeichen - ein Spazierstock mit einem
geschnitzten Frosch als Griff - hatte er quer über dem Schoß
liegen.
Montaigne kannte die Launen des Mississippi aus eigener
Erfahrung. Für ihn war der Fluß ein Monster, das für alle
Ewigkeit dazu verdammt war, durch ein viel zu schmales Bett
zu strömen. Meistens gab es Ruhe, aber gelegentlich geriet es in
Rage, trat über die Ufer und richtete verheerende
Überschwemmungen an. General Montaigne und das Army
Corps of Engineers, die Pioniere der US-Armee, hatten die
Aufgabe, dieses Ungeheuer im Zaum zu halten und die
Millionen von Menschen zu schützen, die an seinen Ufern
lebten.
Als Präsident der Mississippi River Commission mußte er
einmal im Jahr auf einem Pionierschlepper, der fast so protzig
ausgestattet war wie ein Kreuzfahrtschiff, die Schutzdeiche und
Flutwälle in Augenschein nehmen. Begleitet von einer Schar
hoher Offiziere sowie seinen zivilen Mitarbeitern, machte er in
vielen Städten entlang des Flusses halt, unterhielt sich mit den
Bewohnern und hörte sich ihre Vorschläge und Beschwerden an.
Montaigne hielt nicht viel von öffentlichen Auftritten und
offiziellen Festgelagen mit den Vertretern der betreffenden
Kommunen. Er unternahm seine Inspektionstouren lieber
unangekündigt und mit einem gewöhnlichen Vermessungsboot,
auf dem sich außer ihm lediglich Captain Giraud und seine
Besatzung befanden. Auf diese Weise konnte er, ohne abgelenkt
zu werden, die Haltbarkeit der Futtermauern überprüfen, die ein
Abrutschen der Dämme verhinderten, und sich in aller Ruhe
vom Zustand der Deiche, der steinernen Uferbefestigungen und
der Schleusen überzeugen.
Und warum obliegt dieser stete Kampf wider die Fluten des
Mississippi ausgerechnet dem Army Corps of Engineers? Weil
es die Pioniere der US-Armee waren, die zu Beginn des
neunzehnten Jahrhunderts die ersten Vorstöße unternahmen, den
Mississippi zu zähmen. Nachdem sie im amerikanischenglischen
Krieg von 1812 etliche Forts entlang des Flusses gebaut hatten,
um ein Vordringen der Briten zu verhindern, bot es sich an, ihre
dabei gewonnenen Erfahrungen auch zu zivilen Zwecken zu
nutzen. Zumal die Militärakademie in West Point die einzige
Ausbildungsstätte im Land war, an der man das entsprechende
technische Wissen erwerben konnte. Diese Tradition blieb
bislang gewahrt, auch wenn sie ein wenig anachronistisch wirkt,
wenn man bedenkt, daß bei den Pionieren heutzutage auf
hundertvierzig Zivilangestellte nur mehr ein Armeeoffizier
kommt.
Frank (laut seiner Geburtsurkunde François) Montaigne war
ein Cajun, geboren und aufgewachsen im südwestlich von Baton
Rouge gelegenen Plaquemines Parish, wo sich, wie einst in ganz
Südlouisiana, seine Vorfahren, die Akadier, niedergelassen
hatten, nachdem sie aus den französischen Provinzen Kanadas
vertrieben worden waren. Sein Vater war
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