Höllenflut
Frachtterminals,
in denen gleichzeitig zwanzig Containerschiffe be- und entladen
werden konnten. An den insgesamt dreieinhalb Kilometer
langen Kais beiderseits des Flusses konnten sämtliche
hochseetauglichen Schiffe anlegen, ausgenommen
schwerbeladene Supertanker.
Vor allem aber durch seine Architektur unterschied sich
Sungari von den meisten anderen Häfen der Welt. Hier gab es
keine grauen, streng rechteckigen Betonklötze. Sämtliche
Lagerhäuser und Verwaltungsgebäude sahen aus wie
Pyramiden, die man mit einem golden glänzenden,
galvanisierten Material verkleidet hatte, so daß sie in der Sonne
feurig funkelten. Ein hinreißender Anblick, vor allem, wenn
man darüber hinwegflog. Aber auch vierzig Meilen weit
draußen im Golf konnte man vom Schiff aus das helle Gleißen
noch erkennen.
Jemand klopfte leise an die Tür, Gunn ging durch den
Konferenzraum, in dem die Besprechungen der Wissenschaftler
und Techniker an Bord des Schiffes stattfanden, und öffnete.
Draußen stand General Frank Montaigne in seinem schmucken
grauen Anzug samt Weste und Uhrkette und stützte sich auf
seinen Stock.
»Danke, daß Sie gekommen sind, General. Ich bin Rudi
Gunn.«
»Commander Gunn«, erwiderte General Montaigne
freundlich. »Ich habe mich auf diese Begegnung gefreut.
Nachdem mir Vertreter des Weißen Hauses und der INS
mitgeteilt haben, worum es geht, bin ich doch sehr erleichtert,
daß es noch andere gibt, die von Qin Shangs Gefährlichkeit
überzeugt sind.«
»Allem Anschein nach werden es immer mehr.«
Gunn geleitete den General zu einem Stuhl neben der
dreidimensionalen Projektion von Sungari. Montaigne beugte
sich über das Diorama und stützte das Kinn auf die Hand, die
über dem geschnitzten Frosch am Griff seines Stockes lag. »Wie
ich sehe, verwendet man auch bei der NUMA holographische
Abbildungen.«
»Ich habe gehört, daß man sich bei den Pionieren die gleiche
Technik zunutze macht.«
»Sie bietet sich an, wenn man den Kongreß dazu bringen will,
die Mittel aufzustocken. Der einzige Unterschied besteht darin,
daß wir mit unserem Gerät Wasserbewegungen darstellen
können. Wenn wir bei den diversen Ausschüssen in Washington
vorsprechen, führen wir ihnen immer vor, was eine verheerende
Flut alles anrichten kann. Das beeindruckt sie mächtig.«
»Was halten Sie von Sungari?« fragte Gunn.
Versonnen betrachtete Montaigne das Diorama. »Kommt mir
so vor, als ob Außerirdische gelandet wären und mitten in der
Wüste Gobi eine Stadt gebaut hätten. Das Ganze ist absolut
sinnlos und überflüssig. Viel Aufwand für nichts und wieder
nichts.«
»Sie sind offenbar nicht vom Nutzen dieser Anlage
überzeugt.«
»Meiner Meinung nach ist dieser Hafen so überflüssig wie ein
Kropf.«
»Schwer zu glauben, daß Qin Shang die Baugenehmigungen
für ein derart gewaltiges Projekt bekommen hat, das keinerlei
Gewinn verspricht.«
»Er hat einen umfangreichen Erschließungsplan eingereicht,
der vom Staat Louisiana gebilligt wurde. Natürlich kommt den
Politikern jede Industrieansiedlung gelegen, weil sie sich davon
einen Rückgang der Arbeitslosenzahlen und ein höheres
Steueraufkommen versprechen. Wer will es ihnen verübeln?
Auch wir haben den Auftrag zum Ausbaggern des Flusses
genehmigt, weil der natürliche Lauf des Atchafalaya unserer
Meinung nach nicht beeinträchtigt wird. Die Umweltschützer
haben selbstverständlich Zeter und Mordio geschrien, weil
dadurch ein riesiges Marschengebiet unwiederbringlich zerstört
würde. Aber man hat sich kurzerhand über ihre Einwände
hinweggesetzt - übrigens auch über die Vorbehalte meiner
Ingenieure, die Auswirkungen auf das Atchafalaya-Delta
befürchteten - und das ganze Projekt genehmigt, nachdem Qin
Shangs Lobbyisten den Abgeordneten Honig ums Maul
geschmiert haben. Trotzdem ist mir bislang noch kein
Finanzfachmann oder Hafenmeister begegnet, der Sungari nicht
von Anfang an für eine Fehlplanung hielt.«
»Und trotzdem wurden sämtliche Genehmigungen erteilt«,
sagte Gunn.
»Die Sache wurde von hochrangigen Regierungsvertretern in
Washington abgesegnet, unter anderem auch von Präsident
Wallace, der sich persönlich dafür eingesetzt hat«, erklärte
Montaigne. »Die Zustimmung erfolgte größtenteils aufgrund des
neuen Handelsabkommens mit China. Die chinesische
Abordnung brachte Sungari immer wieder ins Spiel, und der
Kongreß wollte das Abkommen nicht gefährden. Und
selbstverständlich ist davon auszugehen, daß von seiten der
Weitere Kostenlose Bücher