Höllenflut
Freizeitkapitän zu nahe kommt.
Wenn Qin Shang gedacht hat, er könnte über den Atchafalaya
oder den Intracoastal Waterway ein großes
Frachtgutaufkommen abwickeln, hat er sich gründlich getäuscht.
Für schwere Lastkähne sind sie beide nicht geeignet.«
»Sowohl im Weißen Haus als auch bei der
Einwanderungsbehörde mutmaßt man, daß Sungari in erster
Linie dazu dient, illegale Einwanderer sowie Drogen und
verbotene Schußwaffen ins Land zu schmuggeln.«
Montaigne zuckte die Achseln. »Das hat man mir auch gesagt.
Aber warum sollte er haufenweise Geld in eine Hafenanlage
stecken, die Millionen Tonnen Schiffsfracht umsetzen kann, und
sie dann lediglich als Umschlagplatz für Schmuggelware
nutzen? Das will mir nicht recht einleuchten,«
»Mit Schmuggel läßt sich eine Menge Geld verdienen«, sagte
Gunn. »Eine große Menge Geld sogar, wenn man bedenkt, daß
jeder Illegale dreißigtausend Dollar berappen muß und er mit
einem Schiff etwa tausend Mann befördern und ins Binnenland
schleusen kann.«
»Na schön«, sagte Montaigne. »Selbst wenn Sungari
tatsächlich dazu dient, Illegale und Schmuggelware an Land zu
schaffen, möchte ich immer noch wissen, wie er die
Einwanderer und die Kontrabande von A nach B bringen will,
ohne daß es jemand mitbekommt. Unser Zoll und die
Einwanderungsbehörde durchsuchen jedes Schiff, das in Sungari
anlegt. Sämtliche Frachtkähne, die in Richtung Norden fahren,
werden überwacht. Da kommt kein illegaler Ausländer durch.«
»Deswegen ist die NUMA hier.« Gunn ergriff einen Zeigestab
aus Metall, beugte sich über das Diorama und deutete auf das
Flußbett des Atchafalaya, der den Ost- und den Westteil des
Hafens voneinander trennte. »Denn wenn er seine menschliche
Fracht und seine Schmuggelware nicht über Land und Wasser
weiterbefördern kann, muß er sie unter Wasser wegschaffen.«
Montaigne richtete sich kerzengerade auf und musterte Gunn
skeptisch. »Mit U-Booten?«
»Unterseeboote, die eine große Anzahl Passagiere und
Frachtgut befördern können, kämen durchaus in Frage.
Ausschließen sollten wir das nicht.«
»Entschuldigen Sie bitte, aber mit einem U-Boot kann man
nie und nimmer auf dem Atchafalaya flußaufwärts fahren. Selbst
für erfahrene Flußschiffer sind die Untiefen und Biegungen der
reinste Alptraum. Aber unter Wasser gegen die Strömung zu
steuern ist schlichtweg unmöglich.«
»Dann haben Shangs Ingenieure unter Wasser vielleicht ein
Tunnelsystem angelegt, von dem wir nichts wissen.«
Montaigne schüttelte den Kopf. »Nie im Leben hätten die
heimlich einen Gang graben können. Die Bauaufsicht war
ständig zugegen und hat die Arbeiten genauestens unter die
Lupe genommen, um sicherzugehen, daß man sich an die
Planvorgaben hält. Qin Shangs Bauleiter waren ausgesprochen
entgegenkommend. Sie sind auf jede Anregung unsererseits
eingegangen und haben jeden Änderungswunsch anstandslos
befolgt. Letzten Endes war es fast so, als ob wir von Anfang an
in die Planung einbezogen gewesen wären. Wenn er unter den
Augen dieser Männer und Frauen, die ich für die besten
Ingenieure und Bauinspekteure im ganzen Süden halte, einen
geheimen Tunnel hat graben lassen, fress' ich einen Besen.«
Gunn nahm einen Krug und ein Glas zur Hand. »Darf ich
Ihnen ein Glas Eistee anbieten?«
»Eine Flasche Bourbon haben Sie nicht zufällig?«
Gunn lächelte. »Admiral Sandecker hält sich an die
Gepflogenheiten der Marine. Alkohol ist auf den
Forschungsschiffen der NUMA nicht erlaubt. Meines Wissens
hat sich jedoch zu Ehren Ihres Besuches eine Flasche Jack
Daniel's Black Label an Bord verirrt.«
»Sie sind ein Schatz, Sir«, sagte Montaigne, dessen Augen
vor Vorfreude funkelten.
Gunn goß ihm ein Glas ein. »Eis?«
»Nicht doch!« Montaigne hielt das Glas hoch und betrachtete
die bernsteinfarbene Flüssigkeit, dann roch er daran, als kostete
er die feine Blume eines erlesenen Weines. »Man hat mir
mitgeteilt, daß Sie Ihr Glück unter Wasser versuchen wollen,
nachdem man an Land nichts Verdächtiges entdeckt hat.«
Gunn nickte. »Morgen in aller Frühe will ich mit einem
Tauchroboter das Hafenbecken erkunden. Wenn die
Videokameras etwas erfassen, das uns nicht ganz koscher
vorkommt, lassen wir es von Tauchern genauer untersuchen.«
»Das Wasser ist ziemlich trüb und schlammig. Ich glaube
nicht, daß Sie da viel erkennen können.«
»Wir arbeiten mit digitalen Kameras, die eine so hohe
Auflösung haben, daß sie selbst in trübem Wasser noch
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