Höllenflut
neben dem Mystic-Kanal scharf abbremsten und der
eine quer über dem Mittelstreifen zum Stehen kam. Im
allgemeinen Tohuwabohu bemerkte niemand den Hubschrauber,
der aus der Dunkelheit nahte und zwischen den beiden Lastern
aufsetzte. Die Fahrer sprangen aus den Kabinen, rannten zu der
Maschine und kletterten hinein. Der letzte hing noch halb im
Freien, als der Hubschrauber wieder aufstieg, sich in eine
scharfe Neunzig-Grad-Kurve legte und in Richtung Westen,
zum Atchafalaya hin, in der Nacht verschwand.
Sandecker und Gunn, die auf dem Rücksitz von Sheriff
Marchands Streifenwagen saßen, drehten sich um und schauten
durch das Rückfenster. Marchand, der den Wagen steuerte,
blickte abwechselnd in den Seitenspiegel und zu den anderen
Fahrzeugen, die ebenfalls gen Süden rasten. »Wenn doch nur
das Sprengkommando der Army vor Ort wäre und die Zünder
rechtzeitig entschärfen könnte.«
»Die brauchten mindestens eine Stunde, bis sie die Zünder
finden und feststellen würden, wie sie funktionieren.«
»Die werden den Damm noch nicht sprengen«, sagte
Sandecker leise. »Nicht bevor die United States hier eintrifft,«
»Der Admiral hat recht«, versetzte Gunn. »Wenn der Damm
bricht, bevor die United States quer zur Fahrrinne liegt, fließt so
viel Wasser aus dem Mississippi in den Kanal ab, daß sie mit
dem Kiel im Schlamm steckenbliebe.«
»Es gibt noch eine kleine Hoffnung«, sagte Sandecker. Er
tippte Marchand auf die Schulter. »Können Sie mit Ihrem
Funkgerät General Olson erreichen?«
»Kann ich schon. Die Frage ist, ob er rangeht«, erwiderte der
Sheriff. Er griff zum Mikrofon und forderte Olson auf, sich zu
melden. Nachdem er seine Bitte mehrere Male wiederholt hatte,
meldete sich eine Stimme. »Corporal Welch im
Kommandowagen. Ich höre Sie, Sheriff, Ich verbinde mit dem
General.«
Einen Moment lang war nur statisches Rauschen zu
vernehmen, dann war Olson dran. »Was gibt's, Sheriff? Ich
empfange gerade die Lageberichte meiner Panzertruppen.«
»Einen Augenblick, Sir. Ich gebe Ihnen Admiral Sandecker.«
Sandecker beugte sich über die Sitzlehne und übernahm das
Mikrofon. »General, haben Sie Flugzeuge in der Luft?«
»Was soll die Frage?«
»Ich glaube, die wollen den Sprengstoff per Funk zünden.
Und zwar von dem Hubschrauber aus, der die Fahrer der
Lastwagen abgeholt hat.«
Olson klang mit einemmal alt und abgespannt. »Tut mir leid,
Admiral, aber die beiden Helikopter waren die einzigen
Flugzeuge, die mir direkt unterstanden. Und die sind hin,
mitsamt der Männer, die drin saßen.«
»Können Sie nicht beim nächsten Luftwaffenstützpunkt ein
paar Düsenjäger anfordern?«
»Ich kann's probieren«, erwiderte Olson, »aber ich kann nicht
die Hand dafür ins Feuer legen, daß sie sofort aufsteigen und
rechtzeitig eintreffen.«
»Ich verstehe, vielen Dank.«
»Keine Sorge, Admiral«, sagte Olson. »An meinen Panzern
kommen sie nicht vorbei.« Doch diesmal klang er nicht mehr so
selbstsicher.
Der Kanonendonner flußabwärts schwoll unterdessen an, als
die United States den Panzerkanonieren ihre Breitseite darbot.
Daß es sich keineswegs um ein einseitiges Gefecht handelte,
konnte General Olson nicht wissen.
Sandecker reichte Marchand das Mikrofon und ließ sich
wieder auf den Rücksitz sinken. Er wirkte besorgt und zutiefst
bedrückt. »Dieser verdammte Qin Shang hat uns alle
ausgetrickst. Wir können nicht das Geringste tun, außer hilflos
zuzusehen, wie zahllose Menschen sterben.«
»Dirk und Al nicht zu vergessen«, versetzte Gunn mit
grimmiger Miene. »Die kriegen vermutlich sowohl von den
Chinesen als auch von Olsons Panzern und Haubitzen mächtig
Zunder.«
»Gott steh ihnen bei«, murmelte Sandecker. »Und all den
anderen Menschen, die am Atchafalaya leben, wenn die United
States trotz dieses Infernos durchkommt.«
44
Die United States wich und wankte nicht, sie erbebte kaum,
als die Turmgeschütze der sechs Panzer das Feuer eröffneten.
Dabei war sie aus knapp zweihundert Metern Entfernung kaum
zu verfehlen. Wie von Zauberhand klafften plötzlich schwarze,
schartige Löcher in ihren Schornsteinen und auf den Aufbauten,
in denen sich einst elegante Salons, Kinos und Bibliotheken
befunden hatten. Die erste Salve aus den 105-MillimeterKanonen der Panzer bewirkte überhaupt nichts, genau wie
Admiral Sandecker vorausgesagt hatte. Die panzerbrechenden
Geschosse durchschlugen die Aluminiumwände, flogen weit
über den gegenüberliegenden Damm hinweg und explodierten
irgendwo im Marschland im
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