Höllenflut
Maritime Limited besitzt ein
Bergungsschiff. Sobald er Wind davon bekommt, wo die Princess Dou Wan liegt, schickt er es garantiert den SanktLorenz-Strom runter zu den Großen Seen und geht irgendwie in
Kanada an Bord.«
»Hast du keine Angst, daß er zuerst ankommen könnte?«
fragte Julia.
»Die Gefahr besteht nicht. Wir helfen ihm erst auf die
Sprünge, nachdem wir den Schatz gehoben haben.«
»Das Auffinden ist aber nur der erste Schritt. Die Bergung
könnte ein Jahr in Anspruch nehmen, wenn nicht mehr.«
Sandecker wirkte skeptisch. »Verlaßt euch nicht zu sehr
darauf, daß Gallagher euch zu dem Wrack führen kann.
Möglicherweise ist er abgehauen, bevor das Schiff
verschwunden ist.«
»Der Admiral hat recht«, sagte Gunn. »Wenn Gallagher
wüßte, wo das Schiff gesunken ist, hätte er doch längst versucht,
es selbst zu bergen.«
»Hat er aber nicht«, versetzte Pitt entschieden. »Weil die
Kunstschätze nämlich nie wieder aufgetaucht sind. St. Julien
kann euch bestätigen, daß sich ein Schatzfund nicht
verheimlichen läßt. Gallagher hat den Standort für sich behalten,
aus welchem Grund auch immer. Es wäre St. Julien bestimmt
aufgefallen, wenn jemand Anstalten gemacht hätte, das Schiff
zu heben.«
Sandecker, der in Zigarrenqualm gehüllt war, warf Pitt einen
kurzen Blick zu. »Wann können sie nach Manitowoc
aufbrechen?«
»Bekomme ich denn die Erlaubnis dazu?«
Der Admiral zwinkerte Harper zu. »Ich glaube, der INS
überläßt der NUMA gern das Feld, bis sich Qin Shang die Ehre
gibt.«
»Von mir hören Sie kein Widerwort, Admiral«, erwiderte
Harper aufgeräumt. Er lächelte Julia zu. »Eigentlich sollten Sie
ja eine längere Ruhepause einlegen- Aber ich nehme an, Sie sind
gern bereit, unsere Behörde während der Such- und
Bergungsaktion zu vertreten.«
»Wenn Sie damit fragen wollen, ob ich mich freiwillig
melde«, sagte Julia, die ihre Begeisterung nur mühsam im Zaum
halten konnte, »dann antworte ich mit einem uneingeschränkten
Ja.«
»Irgendeine Ahnung, was für ein Typ dieser Gallagher ist?«
fragte Pitt Perlmutter.
»In jungen Jahren muß er ein ziemlich rauher Bursche
gewesen sein. Den Spitznamen ›Hongkong‹ hat er sich
erworben, weil er dort so manche Bar aufgemischt hat, wenn
sein Schiff im Hafen lag.«
»Dann ist er also nicht zimperlich?«
Perlmutter gluckste. »Nein, das glaube ich nicht.«
49
Dunkle Wolken hingen am Himmel, aber noch regnete es
nicht, als Pitt und Julia vom Highway 43 auf einen
unbefestigten, aber gut gepflegten Fahrweg abbogen, der
zunächst zwischen den für die Gegend um den Michigansee
typischen Obstbaumhainen hindurch und dann in einen Wald
aus Birken und Kiefern führte. Pitt achtete auf die Briefkästen
links und rechts des Wegs, bis er den gesuchten fand: Er sah aus
wie ein alter Dampfer und stand auf einer festgeschmiedeten
Ankerkette. Auf dem Schiffsrumpf prangte der Name Gallagher.
»Das muß es sein«, sagte Pitt und bog in eine schmale,
grasbewachsene Zufahrt ein, die zu einem malerischen
einstöckigen Blockhaus führte.
Er und Julia waren nach Green Bay in Wisconsin geflogen,
hatten sich dort ein Auto gemietet und waren rund fünfzig
Kilometer gen Süden gefahren, nach Manitowoc, einer
Hafenstadt, in der die schweren Schiffe anlegten, die auf den
Großen Seen fuhren. Das Haus der Gallaghers stand auf einem
Seegrundstück etwa fünfzehn Kilometer vom Hafen entfernt.
Perlmutter hatte sich erboten, vorher anzurufen und die
Gallaghers von ihrer Ankunft zu verständigen, aber Sandecker
hatte es für besser gehalten, wenn sie unverhofft aufkreuzten. Es
könnte ja sein, hatte er eingewandt, daß der alte
Schiffsmaschinist nicht gern über seine Erlebnisse auf der Princess Dou Wan sprach und geflissentlich das Weite suchte.
Vor dem Haus der Gallaghers ragten drei Bäume auf, dahinter
erstreckte sich der Michigansee. Die zu groben Vierkantbalken
zurechtgehauenen und kunstfertig ineinandergefügten Stämme
waren braun gefirnißt und mit einem leichten Grauschleier
überzogen, der genau zu den Farbtönen des Waldes rundum
paßte. Das untere Drittel bestand aus Mauerwerk, Mörtel und
Naturstein, was dem Haus eine rustikale Note verlieh. Das spitze
Dach war mit Kupferblech gedeckt, auf dem sich im Laufe der
Jahre eine türkisgrüne Patina gebildet hatte. Herkömmliche
Fensterläden zierten die hohen Fenster.
Pitt hielt neben einem überdachten Abstellplatz, auf dem ein
Jeep Grand Cherokee und ein Trailer mit einem
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