Höllenflut
nach Manitowoc unterwegs. Diveraty heißt das Boot. Da wir auf Geheimhaltung achten
müssen, eignet sich meiner Meinung nach ein kleineres Schiff
eher. Das erregt nicht soviel Aufsehen. Wenn man sich auf die
Suche nach einem derart riesigen Schatz begibt, sollte man
lieber keinen großen Rummel drum machen. Sobald was davon
durchsickert, fallen tausend Schatzsucher auf dem Michigansee
ein und pflügen ihn durch wie ein Schwarm Hechte den
Karpfenteich.«
»Ein Phänomen, das man immer wieder beobachten kann,
sobald jemand einen Schatz sucht«, pflichtete Pitt ihm bei.
»Außerdem habe ich in weiser Voraussicht und in der
Hoffnung, daß Sie fündig werden, die Ocean Retriever von
einem Projekt vor der Küste von Maine abgezogen und zum
Michigansee in Marsch gesetzt.«
»Eine hervorragende Wahl. Sie ist bestens ausgerüstet für
heikle Bergungsarbeiten.«
»Sie sollte innerhalb der nächsten vier Tage eintreffen.«
»Und das haben Sie alles in die Wege geleitet, bevor Sie
wußten, daß Gallagher uns zu dem Wrack würde führen
können?« fragte Pitt ungläubig.
»Wie gesagt, in weiser Voraussicht.«
Sandecker erstaunte Pitt stets aufs neue. »Mit Ihnen kommt so
schnell keiner mit, Admiral.«
»Ich ziehe eben immer alle Möglichkeiten in Betracht.«
»Das ist mir klar.«
»Viel Glück, und halten Sie mich auf dem laufenden.«
Den ganzen nächsten Tag über redete Pitt, begleitet von Julia,
mit einheimischen Tauchern über die Wasserverhältnisse und
sah sich nautische Karten von dem Seegebiet an, in dem die Princess Dou Wan in etwa liegen mußte. Am folgenden Morgen
standen sie im ersten Dämmerlicht auf, fuhren zum Jachthafen
von Manitowoc und gingen den Bootsanleger entlang, bis sie die Diveraty fanden.
Das Boot, ein siebeneinhalb Meter langer Parker mit Kabine,
wurde von einem 250er-Yamaha-Außenbordmotor getrieben. Es
war hervorragend ausgerüstet, verfügte unter anderem über ein
differentiales NavStar-Satellitenortungssystem, das mit einem
486er Computer und einem Meeresmagnetometer vom Typ
Geometrics S66 gekoppelt war, und über ein Seitenschallsonar
von Klein, das bei der Suche nach der Princess Dou Wan eine
wichtige Rolle spielen würde. Zur Naherkundung führte das
Boot außerdem einen Tauchroboter vom Typ Benthos
MiniRover MKII mit.
Zwei erfahrene Männer stellten die Besatzung: Ralph
Wilbanks, ein strammer, leutseliger Mann Anfang Vierzig, mit
lebhaften braunen Augen und dickem Schnurrbart, und Wes
Hall, umgänglich, leise und gutaussehend, wenn auch ein wenig
zu hübsch, fast wie ein Doppelgänger von Mel Gibson.
Wilbanks und Hall begrüßten Pitt und Julia und stellten sich
vor. »So früh hätten wir euch nicht erwartet«, sagte Hall.
»Wir stehen stets mit den Hühnern auf«, versetzte Pitt. »Wie
lief die Fahrt von Kenosha nach hier?«
»Kein Wind, keine Wellen«, antwortete Wilbanks.
Beide Männer sprachen mit einem Südstaatenakzent. Pitt
mochte sie fast auf Anhieb. Er erkannte sofort, daß er es mit
zwei Profis zu tun hatte, die ihren Beruf liebten. Amüsiert sahen
sie zu, wie Julia vom Anlegesteg aufs Boot sprang und
geschmeidig wie eine Katze landete, Sie trug Jeans, Pullover
und eine Nylonwindjacke.
»Das ist ein prima Boot, ohne jeden Firlefanz«, sagte Pitt
bewundernd.
Wilbanks nickte. »Sie ist nicht schlecht.« Er wandte sich an
Julia.
»Ich hoffe, Sie stören sich nicht dran, Ma'am, aber wir haben
kein Klo an Bord.«
»Machen Sie sich wegen mir keine Gedanken«, erwiderte sie
lächelnd. »Ich habe eine starke Blase.«
Pitt blickte von dem kleinen Hafen aus auf den scheinbar
unendlichen See. »Leichter Wind, Wellengang etwa dreißig bis
fünfzig Zentimeter, gute Bedingungen. Sind wir bereit zum
Auslaufen?«
Hall nickte und löste die Belegleinen. Kurz bevor er an Bord
springen wollte, deutete er auf eine Gestalt, die unbeholfen
daherhumpelte und wie wild winkte. »Gehört der zu Ihnen?«
Im nächsten Moment erkannte Pitt, daß es Giordino war, der
da auf zwei Krücken über den Anlegesteg eierte und dessen
verletztes Bein vom Knöchel bis zum Zwickel eingegipst war.
Giordino hatte sein berühmtberüchtigtes Lächeln aufgesetzt und
sagte: »Pest und Pocken über dein Haus, wenn du meinst, du
kannst mich an Land lassen und allen Ruhm allein einheimsen.«
»Ich hab's zumindest versucht«, versetzte Pitt, der sich freute,
seinen Freund wiederzusehen.
Wilbanks und Hall hoben Giordino vorsichtig an Bord und
setzten ihn auf einem Liegepolster ab, das über
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