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Höllenflut

Höllenflut

Titel: Höllenflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
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fror, und er
freute sich auf ein Glas Tequila vor einem warmen Kaminfeuer.
Eine innere Stimme sagte ihm, daß er sich verziehen sollte,
solange es noch ging. Doch er achtete nicht darauf.
    Dieser unheimliche Katamaran übte ein ungeheure
Faszination auf ihn aus. Er wirkte irgendwie gespenstisch, wie
ein Geisterschiff zu dunkler Nachtstunde. Nirgendwo ein
Bordlicht, keine Menschenseele zu sehen.
    Richtig gruslig, dachte er. Schwer zu beschreiben, aber dieses
Boot strahlte irgend etwas Düsteres aus. Pitt mußte
unwillkürlich an die Fähre denken, mit der in der griechischen
Sagenwelt die Seelen der Toten über den Styx befördert werden.
Er tauchte vornüber ab, richtete den Stingray zunächst nach
unten und ließ sich dann schräg nach oben ziehen - ein Kurs, der
ihn genau zwischen den Doppelrumpf des merkwürdigen Bootes
führen mußte.
8
    Die achtundvierzig Männer, Frauen und Kinder waren auf
engstem Raum in der viereckigen Kabine des schwarzen Bootes
zusammengepfercht, so daß keiner Platz zum Sitzen hatte. Eng
aneinandergedrückt, standen sie in dem stickigen, von ihrer
Körperwärme aufgeheizten Raum. Nur durch eine kleine,
vergitterte Luke im Kabinendach drang gelegentlich etwas
frische, kühle Nachtluft herein. Ein paar ihrer Leidensgenossen
hatten vor panischer Platzangst bereits das Bewußtsein verloren,
wurden aber von der dichtgedrängten Masse weiterhin aufrecht
gehalten, so daß ihre Köpfe bei jeder Schaukelbewegung des
Schiffes hin und her pendelten. Es herrschte ein eigenartige
Stille.
    Julia stand da, lauschte dem Klang der Wellen, die um den
Bootsrumpf leckten, horchte auf das leise Tuckern des
Dieselmotors und fragte sich, wohin man sie wohl brachte. Vor
zwanzig Minuten waren sie noch durch hohe Dünung
geschaukelt, aber jetzt befanden sie sich in ruhigem Gewässer.
Vermutlich in einer geschützten Bucht oder auf einem Fluß. Sie
nahm an, daß sie irgendwo in den Vereinigten Staaten waren. In
ihrer Heimat. Sie dachte nicht daran, klein beizugeben. Trotz
aller Schwäche und Benommenheit war sie fest entschlossen.
Sie mußte sich aus dieser Klemme befreien, mußte überleben.
Wenn sie entkam und ihren Vorgesetzten beim INS von ihren
Erkenntnissen über den Schlepperring berichtete, konnte sie
dem grausigen Leidensweg, den Tausende von illegalen
Einwanderern gehen mußten, ein Ende bereiten.
    Im Ruderhaus über der Kabine schnitten zwei der vier
Aufseher der Schlepperbande kurze Seilstücke zurecht, während
sich der Kapitän, der am Steuer stand, in der stockdunklen, nur
von wenigen Sternen erleuchteten Nacht den Orion River
hinauftastete. Er wandte den Blick nicht vom Radargerät. Zehn
Minuten später teilte er den anderen mit, daß sie in den See
einfuhren. Kurz bevor das schwarze Boot in den Schein der
Lichter auf Shangs Grundstück eintauchte, griff der Kapitän
zum Schiffstelefon und machte eine kurze Mitteilung auf
chinesisch. Kaum hatte er den Hörer wieder aufgelegt, als
sämtliche Lichter im Hauptgebäude und am Ufer ausgingen und
der See in tiefer Dunkelheit versank. Von einer kleinen, roten
Leuchtboje geleitet, lotste der Kapitän den Katamaran gekonnt
um das breite Heck von Shangs prächtiger Jacht und legte auf
der anderen Seite des Bootssteges an. Zwei Aufseher sprangen
von Bord und schlangen die Belegleinen um die Klampen, als
der Kapitän die beiden Dieselmotoren auf Leerlauf schaltete.
    Drei, vier Minuten lang war von draußen kein Ton zu hören.
Julia und die anderen Unglücklichen in dem engen Gelaß hatten
zig Fragen auf dem Herzen, standen tausend Ängste aus. Aber
nach der alptraumhaften Überfahrt konnten die meisten keinen
klaren Gedanken mehr fassen. Dann wurde die Tür an der
Rückwand der Kabine geöffnet, und es kam ihnen wie ein
Wunder vor, als die frische Bergluft von draußen eindrang.
Zunächst konnten sie lediglich erkennen, daß es draußen dunkel
war. Dann tauchte einer der Aufseher in der Tür auf.
    »Wenn euer Name aufgerufen wird, tretet ihr raus auf den
Steg«, befahl er.
Am Anfang konnten sich diejenigen, die in der Mitte oder
hinten standen, nur mit knapper Not nach draußen zwängen,
doch mit der Zeit wurde es erträglicher, und die
Zurückgebliebenen seufzten zunächst erleichert auf. Es waren
zumeist ärmere Einwanderer, die den Wucherpreis nicht
aufbringen konnten, den man von ihnen verlangte, bevor sie in
ein fremdes Land eingeschleust wurden. Sie hatten sich, ohne es
zu wissen, in die Leibeigenschaft

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