Hoellenglanz
Ich schob mich neben sie und ging unter dem Tuch in die Hocke.
Die Tür ist abgeschlossen, du dumme Kuh. Sie kann hier nicht reinkommen.
Egal. Wenn sie mich dabei erwischten, wie ich mich in einem abgeschlossenen Zimmer versteckte, würden sie misstrauisch werden, und das konnten wir uns nicht leisten. Ich hätte einfach mit Simon gehen sollen.
»Bitte, Chloe.« Ihre Stimme hörte sich an, als sei sie bei mir im Zimmer.
Du bildest dir da was ein.
»Warum bin ich bloß zurückgekommen?«, flüsterte Gwen. »Was hab ich mir eigentlich gedacht?« Dann, lauter: »Da bist du ja – Gott sei Dank.«
Mein Herz schlug gegen meine Rippen. Ich sah an der Kommode hinauf – ich war vollständig verborgen, das Laken reichte bis zum Boden und verdeckte sogar meine Füße.
Sie blufft. Sie kann dich nicht sehen. Sie kann unmöglich …
Gwen trat vor mich. Das kurze Haar stand in Stacheln rund um ihr bleiches Gesicht ab, ihr Make-up war verschmiert, die Augen waren riesig.
»Komm schon, Chloe. Schnell!«
Ich stand auf. »Ich wollte bloß …«
»Vollkommen egal. Du musst zu Tori und Simon. Weißt du, wo sie sind?«
»Im Keller, aber …«
»Schnell!« Sie streckte die Hand nach mir aus, hielt inne und wich zurück. »Du musst sie warnen.«
»Wovor?«
Sie schüttelte den Kopf. »Komm schon!«
Sie winkte mich zur Tür. Ich packte den Knauf und drehte ihn. Er blieb hängen.
Abgeschlossen. Die Tür war immer noch abgeschlossen.
»Mach sie auf, Chloe. Bitte.«
Ich griff nach Gwen. Sie wich zurück, aber nicht schnell genug. Meine Finger berührten ihren Arm … und glitten hindurch. Ich presste mir die Hand auf den Mund.
»Nicht schreien, Chloe. Okay? Bitte, bitte, schrei jetzt nicht.«
Ich nickte.
O Gott. Sie ist ein Geist. Sie ist tot.
Sie konnte nicht tot sein. Ich hatte sie reden hören, es war erst eine Minute her, hatte ihre Schritte gehört, als sie den Gang entlanglief, um nach mir zu suchen. Und das war das letzte Mal gewesen, dass ich sie gehört hatte.
Margarets Worte fielen mir wieder ein.
Simon sagt, sie ist irgendwo hier oben. Du nimmst die Vorderseite, ich sehe hinten nach.
Und dann der Aufschlag. Das Geräusch eines fallenden Körpers.
Margaret sollte Gwen umgebracht haben? Das war doch verrückt. Unmöglich.
Sicher, sie ist einfach zufällig gestürzt und hat sich den Hals gebrochen, während sie nach dir gesucht hat.
Ich schluckte. »Margaret«, flüsterte ich.
»Sieht so aus, als ob die alte Schreckschraube entschieden widerlicher wäre, als ich’s ihr je zugetraut habe«, murmelte Gwen. »Hat mir nicht gefallen, wie das hier gelaufen ist. Ich … ich hatte ein paar Sachen gehört. Margaret und Russell. Deswegen bin ich abgehauen, als Andrew sich gemeldet hat. Ich wollte da nicht reingezogen werden. Aber ich hab’s nicht durchgehalten. Ich musste zurückkommen – dachte, ich warne Andrew, helfe ihm, auf euch Kids aufzupassen. Blöde Idee, wie man sieht. Nicht mal zum Warnen hat’s noch gereicht.«
Ich fuhr zur Tür herum. »Derek.«
Gwen schob sich vor mich. »Ist er an einem sicheren Ort?«
Ich ging durch sie hindurch.
»Chloe, ist er an einem sicheren Ort? Denn wenn er’s ist, dann müsst ihr ihn dort lassen. Du musst Simon und Tori warnen. Du hast gesagt, Margaret hätte sie in den …«
»Keller geschickt, Stühle holen. Für die anderen, die später herkommen.«
»Es kommt aber niemand mehr, Chloe.«
Ich stürzte zur Tür. Während ich aufschloss, glitt Gwen durch die Wand.
»Vorsicht«, flüsterte ich. »Margaret …«
»Kann mich sehen. Ich weiß.«
Sie kam zurück und winkte mich in den Gang hinaus, gab mir zu verstehen, ich solle ins Nachbarzimmer schlüpfen und dort wieder warten. Und so kamen wir voran – ich schoss von einem Zimmer ins Nächste, immer näher an die Hintertreppe heran, während Gwen überprüfte, ob die Luft rein war.
Ich tat, was sie sagte, obwohl ich innerlich ein einziges panisches Nervenbündel war. Ich konnte nichts anderes denken als:
Gwen ist
tot, und jetzt sind Simon und Tori im Keller, und Derek ist auf dem Dachboden, und mache ich hier das Richtige und werde ich sie rechtzeitig erreichen, und, o mein Gott,
was
ist hier eigentlich los?
Ich hatte die Hintertreppe fast erreicht, als Gwen mir ein Zeichen gab, ich solle mich verstecken. Ich schob mich unter ein Bett, die Hand über Mund und Nase gelegt, um nicht zu viel Staub einzuatmen.
Draußen im Gang hörte ich Margarets Absätze klicken. Sie schienen sich zu
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