Hoellenglanz
lügt«, sagte Tori. »Ist mir egal, wie chaotisch sie ist, kein Mensch ignoriert ein halbes Dutzend drängende Anrufe und steht dann plötzlich mit Heidelbeermuffins auf der Matte.«
»Russell hat sie zum Spionieren hergeschickt«, sagte Simon. »Der plant doch irgendwas.«
»Das kann uns jetzt egal sein«, sagte ich. »Was die auch vorhaben, wir werden ja bald hier raus sein. Haltet bis dahin einfach ein Auge auf sie, ich gehe und schicke Liz los, damit sie nach Fluchtwegen sucht.«
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38
I ch hatte die Treppe fast erreicht, als Simon hinter mir herrief.
»Kannst du Derek was mitbringen?«, flüsterte er. »Ich hab’s in meinem Zimmer.«
Wir gingen nach oben. Er zerrte seinen Rucksack aus einem Versteck, holte den Zeichenblock heraus, faltete ein Blatt daraus zweimal zusammen und gab es mir.
»Gib ihm das da und sag ihm, es ist okay.«
»Okay?«
Simons Blick glitt ab, und er zuckte die Achseln. »Er wird’s schon verstehen.« Einen Moment später sah er wieder auf und rang sich ein Lächeln ab. »Machen wir einfach weiter und sehen zu, dass wir hier rauskommen.«
Er kam mit bis zum Fuß der Treppe, die zum Dachboden und aufs Dach hinaufführte.
»Chloe? Simon?« Das war Margarets Stimme aus dem Erdgeschoss.
Simon fluchte. Dann sah er mich an.
»Kannst du gehen?«, fragte ich. »Ich muss Liz losschicken, sonst kommen wir nie hier weg.«
Er nickte. Ich schlüpfte ins nächste Zimmer und schloss die Tür, während er draußen rief: »Hier oben!«
»Ich muss mit euch beiden reden.«
Margarets Pumps kamen klackend die Treppe herauf, zugleich hörte ich Simons Schritte, als er ihr entgegenrannte. Ich lehnte mich an die Tür, um zu lauschen.
»Hast du Chloe gesehen?«, fragte sie.
»Hm, nein«, antwortete Simon. »Sie wollte sich eine ruhige Ecke suchen, um ein bisschen zu schreiben. Haben Sie mal hinten im Wintergarten nachgesehen? Sie sitzt gern …«
»Ich sehe nach. Und du gehst bitte in den Keller und hilfst Tori, ein paar zusätzliche Stühle fürs Mittagessen raufzuholen.«
»Mittagessen? Wir haben gerade erst gefrühstückt. Und wir haben genügend Stühle …«
»Nein, die haben wir nicht. Der Rest der Gruppe kommt gleich, um die letzten Vorbereitungen zu treffen. Andrew ist zum Flugplatz gefahren, um sie abzuholen, also müsst ihr mir mit den Stühlen helfen.«
»Tori kann das doch …«
»Ich habe
dich
gebeten, Simon.«
»In Ordnung!«, sagte Simon und hob die Stimme, um sicherzugehen, dass ich ihn verstand. »Ich hol diese Stühle aus dem Keller. Aber Chloe würde ich lieber nicht fragen, die Dinger sind doch größer als sie selbst.«
Margaret schickte ihn nach unten, wobei sie hinzufügte, sie würde gleich nachkommen und die Arbeit beaufsichtigen. Ich hörte Simons Schritte die Treppe hinunterpoltern. Als Nächstes rief Margaret nach Gwen, die von unten her antwortete.
»Ich muss mit Chloe reden«, sagte Margaret, als Gwen nach oben gekommen war. »Ich habe ihr ein Nekromantiebuch mitgebracht. Simon sagt, sie ist irgendwo hier oben. Du nimmst die Vorderseite, ich sehe hinten nach.«
Simon hatte gesagt, ich wäre wahrscheinlich im Wintergarten … und der war im Erdgeschoss.
Ich sah auf die Türklinke hinunter. Die Tür hatte ein Schloss, und der altmodische Schlüssel steckte. Ich drehte ihn, so langsam ich konnte. Dann sah ich mich um. Ich stand in einem der ungenutzten Schlafzimmer. Es schien weder einen Abstellraum noch einen begehbaren Kleiderschrank zu geben, aber der Schrank an der gegenüberliegenden Wand war groß genug für mich. Als ich hinüberging, quietschten meine Gummisohlen. Ich dachte kurz darüber nach, die Schuhe auszuziehen, aber der Fußboden war schmutzig, und bei meinem Glück würde ich wahrscheinlich in eine rostige Reißzwecke treten und laut genug kreischen, dass das ganze Haus zusammenlief.
Also schlich ich mich vorsichtig durchs Zimmer und hatte es bis in die Mitte geschafft, als ein dumpfer Aufprall mich innehalten ließ. Ich sah nach oben. Derek?
Ich horchte. Stille. Ich tat einen weiteren langsamen Schritt. Dann noch einen.
»Chloe?«
Es war Gwens Stimme, ein Bühnenflüstern unmittelbar vor der Tür. Ich erstarrte.
»Chloe? Bist du hier oben?« Dann sehr viel leiser: »Bitte, sei hier oben.
Bitte.
«
Ich sah zum Schrank hinüber. Er war immer noch zu weit entfernt, als dass ich lautlos hingehen konnte.
»Chloe? Ich weiß, dass du hier bist.«
Ich sah mich um. In der Nähe stand eine riesige, mit einem Laken abgedeckte Kommode.
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