Hoellenglanz
immer noch dieselbe verwöhnte Prinzessin, die letzte Woche vor ihrer Verantwortung weggelaufen ist.«
»Verantwortung?«
Toris Hände schlossen sich zu Fäusten, und die Gurte sprangen auf. Mein Wachmann stürzte vor, aber Dr. Davidoff winkte ihn zurück und bedeutete dem anderen Wachmann, er solle seine Waffe wegstecken.
Tori stand auf. Ihr Haar schien sich zu sträuben. Überall knackte es, Funken stoben.
»Stellen Sie sie ruhig«, befahl Mrs. Enright. »Wenn sie sich nicht benehmen kann …«
»Nein, Diane«, sagte Dr. Davidoff. »Wir müssen lernen, mit Victorias Ausbrüchen umzugehen, ohne uns auf Medikamente zu verlassen. Tori, ich verstehe, dass du verärgert bist …«
»Tun Sie das?« Sie fuhr herum. »Tun Sie das wirklich? Ihr habt mich in Lyle House eingesperrt und mir erzählt, ich wäre geisteskrank. Ihr habt mich mit Pillen vollgestopft. Ihr habt meine Freundin umgebracht. Ihr habt dieses genetisch modifizierte
Ding
aus mir gemacht, und trotzdem erzählt ihr mir immer noch, es wäre meine Schuld!«
Sie schlug mit beiden Fäusten gegen ihre Oberschenkel, und winzige Funken flogen in alle Richtungen. Ihr Wachmann trat einen Schritt vor.
»Macht euch das nervös?«, fragte sie. »Das ist doch noch gar nichts.«
Sie hob die Hände. Eine Kugel aus Energie begann zwischen ihnen zu wirbeln, kaum größer als eine Erbse zunächst, aber dann wuchs sie und wuchs …
»Das reicht jetzt, Victoria«, sagte Dr. Davidoff. »Wir wissen, dass du sehr mächtig bist …«
»Ihr habt keine Ahnung, wie mächtig ich bin.« Sie warf die Energiekugel in die Luft, wo sie funkensprühend hängenblieb. »Aber ich kann’s euch zeigen.«
Hinter Tori begann ihre Mutter sich aus dem Blickfeld zu schieben, während alle anderen Tori anstarrten. Ihre Lippen bewegten sich, um eine Formel zu flüstern. Gerade als ich den Mund öffnete, um Tori zu warnen, schoss ein Blitz aus Mrs. Enrights Fingerspitzen, jagte an Tori vorbei und traf den näher kommenden Wachmann in die Brust.
Der Mann stürzte. Dr. Davidoff, Mrs. Enright und der zweite Wachmann rannten zu ihm hin.
»Er atmet nicht«, sagte der Wachmann. Er starrte mit aufgerissenen Augen zu Dr. Davidoff hinauf. »Er
atmet
nicht!«
»O mein Gott.« Mrs. Enright drehte sich langsam zu Tori um. »Was hast du getan?«
Tori wich entsetzt zurück. »Ich hab nichts …«
»Holen Sie Dr. Fellows«, fuhr Davidoff den zweiten Wachmann an. »Schnell.«
»Ich hab das nicht getan«, sagte Tori. »Ich war’s nicht.«
»Es war ein Unfall«, murmelte ihre Mutter.
»Nein, ich hab das nicht getan. Ich schwöre bei Gott …«
»Sie hat recht.« Beim Klang meiner Stimme sahen sich alle abrupt nach mir um. Ich drehte mich in meinem Stuhl, um Mrs. Enright anzusehen. »Tori hat diese Formel nicht gesprochen. Sie waren’s. Ich habe gesehen, wie Sie …«
Ein plötzlicher harter Schlag gegen meine Wange, wie eine unsichtbare Ohrfeige, ließ meinen Rollstuhl nach hinten rollen. Blut rann mir aus der Nase.
»Tori«, sagte Mrs. Enright. »Hör auf damit!«
»Ich hab nichts …« Tori erstarrte unter einem Bindezauber.
Mrs. Enright wandte sich an Dr. Davidoff. »Verstehen Sie jetzt vielleicht, was ich meine? Sie ist vollkommen außer Kontrolle. Sie geht wahllos auf Freunde und Gegner los und ist sich nicht einmal im Klaren darüber, dass sie es tut.«
»Schnallen Sie sie fest«, befahl er. »Ich bringe Chloe in ihr Zimmer.«
[home]
40
U nd so war ich nach einer Woche des Weglaufens wieder genau dort angekommen, wo alles angefangen hatte. In derselben Zelle. Auf demselben Bett. Allein.
Dr. Davidoff hatte mich eilig davongezerrt, bevor Tante Lauren eintraf, um sich um den Wachmann zu kümmern. Ich dachte zunächst, er würde ihr vielleicht erlauben, sich meine blutende Nase anzusehen, aber er gab mir lediglich ein nasses Tuch und ein sauberes T-Shirt und versprach mir, ich würde mit meiner Tante sprechen dürfen, sobald ich ruhiger und gewillt war zuzuhören. Auf der Skala möglicher Belohnungen war die Aussicht auf ein paar ruhige Minuten mit meiner Tante, die mich – zum zweiten Mal – verraten hatte, nicht so verlockend, wie er vielleicht annahm.
Die ganze vergangene Woche über hatte ich von dem Tag geträumt, an dem ich hierher zurückkommen würde, um Tante Lauren und Rae zu retten. Jetzt war ich hier, und es gab niemanden zu retten. Tante Lauren war in den Schoß der Gemeinde zurückgekehrt. Rae war tot.
Ich kniff die Augen zusammen, aber die
Weitere Kostenlose Bücher