Hoellenglanz
traumatisiert. Später vielleicht.« Er wandte sich ab und wollte gehen.
Ich trat ihm hastig in den Weg. »Du gehst weiter in dein Jenseits«, sagte ich. »Das hier ist deine letzte Chance, etwas Gutes zu tun.«
»Puh, jetzt, wo du’s sagst …« Er verdrehte die Augen. »Ich hab keinerlei Interesse an einem Neuanfang. Ich hab nichts getan, das ich bereuen würde. Wenn du Antworten willst …«
Er trat näher, bis er über mir aufragte. Ich widerstand der Versuchung zurückzuweichen, aber ich muss mich sichtbar verspannt haben, denn Derek trat näher und flüsterte: »Lass dich von ihm nicht bedrängen.«
»Sie bedrängen?« Liam lachte. »Sie ist es doch, die von meiner Gesellschaft nicht genug kriegen kann.« Er sah wieder auf mich herunter. »Wie gesagt, wenn du Antworten willst, such sie dir selbst. Und versuch, es zu genießen, denn ich habe das Gefühl, ich werde dich sehr bald wieder zu sehen kriegen … und zwar auf
dieser
Seite.«
Dereks Griff um meinen Arm wurde fester. Als ich mich losmachen wollte, beugte er sich zu mir herunter und flüsterte: »Lass ihn gehen. Es ist die Mühe nicht wert.«
»Hör auf deinen Freund, Süße«, rief Liam mir im Gehen über die Schulter zu.
Ich richtete mich auf. »Was hältst du von meinen Zombies?«
Liam blieb stehen und drehte sich langsam um.
Ich gestikulierte zu dem toten Hund hinüber. »Weißt du, wie ich’s gemacht habe?«
»Interessiert mich nicht?«
»Sollte es aber. Nekromanten beschwören die Toten, indem sie eine Seele – einen Geist, so wie dich – in eine Leiche zurückrufen, wo ich sie kontrollieren kann, so wie du’s gesehen hast. Es funktioniert bei Tieren und Menschen auf genau die gleiche Art. Also beantwortest du jetzt entweder meine Fragen, oder ich stecke dich wieder da rein.« Ich zeigte auf seinen Körper.
Er lachte. »Normalerweise würde ich ja jetzt sagen, du hast Eier, aber das wäre wahrscheinlich ein bisschen unangebracht.«
»Glaubst du, ich mache Witze?«
Er antwortete mir, indem er mir den Rücken zuwandte und ging. Ich schloss die Augen und stellte mir vor, wie ich ihn zu seiner Leiche zurückzog, nur ein kleiner Ruck.
»Hey«, sagte er.
»Hey!«
Als ich die Augen öffnete, sah ich ihn gegen eine unsichtbare Kraft ankämpfen.
»Du hast gedacht, ich bluffe?«
Ich drehte die Energie ein bisschen hoch, und er stolperte. Noch ein kleiner Ruck, und sein Geist schoss ein, zwei Schritte auf seine Leiche zu.
»Okay, schön«, spuckte er in meine Richtung. »Was willst du wissen?«
»Wer hat dich angeheuert?«
»Du hast das Telefon. Find’s eben raus.«
Ich erzählte Derek, was Liam gesagt hatte, und fragte dann: »War es die Edison Group?«
Sein Gesicht legte sich in Falten. »Elektrizitätsgesellschaft?«
»War es ein Mann namens Marcel Davidoff?«
»Wer?«
»Diane Enright?«
»Er hat recht«, flüsterte Derek. »Du hast das Telefon. Frag ihn was anderes.«
»Als ihr uns das erste Mal aufgespürt habt, auf dem Spielplatz, da hast du gesagt, ihr wärt von der Straße runtergefahren und hättet zufällig Dereks Fährte gewittert. Das war gelogen, oder?«
»Jeder lügt, Herzchen. Gewöhn dich einfach dran.«
»Jemand hat euch angeheuert, damit ihr Derek ausschaltet.«
»Du hast’s raus. Dann brauchst du mich jetzt wohl nicht …«
»Warum?«
»Warum was?«
»Warum wollen sie ihn aus dem Weg haben?«, fragte ich.
»Weil ich ein Werwolf bin«, sagte Derek. »Wie Andrew gesagt hat, uns will keiner in der Nähe haben.«
»Bingo, Welpe. Die Lektion kann man gar nicht früh genug lernen. Die haben alle Angst vor uns.« Er schlenderte zu Derek hinüber. »Du versuchst, ein guter Junge zu sein, stimmt’s? Du glaubst, damit kannst du ihnen beweisen, dass sie sich irren. Und, wie hat’s bisher funktioniert? Weißt du was? Es ist ihnen egal. In ihren Augen bist du ein Monster, und nichts, was du tust – oder nicht tust –, wird daran irgendwas ändern. Mein Rat? Gib denen, was sie wollen. Es ist ein kurzes, brutales Leben.« Er lächelte. »Nimm alles mit, was drin ist.«
Derek starrte geradeaus und wartete geduldig.
»Er hört kein Wort von dem, was ich sage, was?«, fragte Liam.
»Nein.«
Er fluchte. »Und hier stehe ich und versuche, noch ein paar letzte Perlen der Weisheit an die nächste Gener…«
Liam verschwand. Ich fuhr vor Überraschung heftig zusammen und sah mich dann um.
»Chloe?«
»Er ist weg.«
»Gegangen?«
»Nein, er ist einfach …« Ich sah mich weiter um, entdeckte aber
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