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Hoellenglanz

Hoellenglanz

Titel: Hoellenglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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und hergegangen waren. Sie machten den Eindruck, als sei Andrew wirklich darum bemüht gewesen, Derek ungefährdet dem Rudel zu übergeben. War er wirklich so besorgt um Dereks Sicherheit gewesen? Liam hatte unverkennbar die Anweisung gehabt, bei Bedarf zu töten. War diese Entscheidung hinter Andrews Rücken gefallen? Das hätte erklärt, warum er mir so aufrichtig entsetzt vorgekommen war, als er herausfand, was Derek und mir zugestoßen war.
    Oder vielleicht war ich auch einfach nicht bereit, Andrew als einen der Bösen zu betrachten. Ich mochte ihn. Ich hatte ihn wirklich gemocht. Aber es erforderte nur noch eine weitere E-Mail, und das Gefühl war verflogen – eine, die nichts mit Liam und Russell und der Edison Group zu tun hatte. Als Tori sie fand, lasen wir sie beide und lasen sie noch einmal, und keine von uns sagte ein Wort, bis ich schließlich ein wackeliges »Ich hole besser Simon und Derek« zustande brachte.
    »Ich seh nach, ob noch mehr da ist«, sagte sie, als ich davonging.
     
    Irgendwann fand ich Derek. Er stand allein in der Bibliothek und blätterte in einem Buch.
    »Da bist du ja«, sagte ich mit einem Seufzer der Erleichterung.
    Er drehte sich um. Seine Lippen verzogen sich zu einem leichten Lächeln, sein Blick wurde weicher auf eine Art, die etwas mit meinem Magen anstellte und mich ganz einfach innehalten ließ. Einen Moment lang vergaß ich, warum ich eigentlich hier war.
    »Ist Simon in der Nähe?«
    Ein Lidschlag, und er wandte sich wieder dem Bücherregal zu.
    »Er ist oben. Er ist richtig sauer auf Andrew, also ist er dort wahrscheinlich am besten aufgehoben, bis wir so weit sind, dass wir gehen können, denn sonst sagt er noch irgendwas zu ihm, das besser nicht gesagt wird. Willst du ihn wegen irgendwas sprechen?«
    »Vielleicht ist es sogar besser, wenn ich’s dir zuerst zeige.«
    Er blickte mich stirnrunzelnd über seine Schulter an.
    »Wir haben was gefunden.«
    »Oh.« Er zögerte, als brauchte er einen Moment, um sich darauf einzustellen. Dann nickte er und folgte mir aus dem Raum.
     
    Tori drehte sich auf ihrem Stuhl zu uns herum, als wir hereinkamen.
    »Es sind noch mehr«, sagte sie. »Er hat etwa alle vierzehn Tage eine geschickt. Die letzte erst vor ein paar Tagen.«
    »Gut«, sagte ich. »Würdest du ein Auge auf Andrew halten?«
    »Klar.« Sie verschwand.
    »Warte.« Ich griff nach Dereks Ärmel, als er auf den Stuhl zuging, den Tori eben verlassen hatte. Ich wollte etwas sagen. Ich wusste nicht, was. Aber es gab keine Möglichkeit, ihn zu warnen, die nicht ein ebenso großer Schock gewesen wäre, also endete es damit, dass ich ein verlegenes »Egal« murmelte.
    Als er gelesen hatte, was auf dem Bildschirm stand, wurde er vollkommen still. Nach ein paar Sekunden zog er sich den Laptop mit einem Ruck näher heran und beugte sich vor, um den Text noch einmal zu lesen. Und noch einmal. Endlich stieß er den Stuhl nach hinten und atmete tief aus.
    »Er ist am Leben«, sagte ich. »Euer Dad ist am Leben.«
    Er sah mich an, und ich konnte nicht anders – ich warf ihm die Arme um den Hals und umarmte ihn. Als ich bemerkte, was ich tat, ließ ich rasch los, wich zurück, stolperte über meine eigenen Füße und stammelte: »E-es tut mir leid. Es ist bloß – ich freue mich für euch.«
    »Ich weiß.«
    Immer noch im Sitzen streckte er den Arm aus und zog mich wieder näher. Wir sahen einander an, seine Hand in den Saum meines Sweatshirts gewickelt. Mein Herz hämmerte so sehr, dass ich mir sicher war, er konnte es hören.
    »Da ist noch mehr«, sagte ich nach ein paar Sekunden. »Noch mehr E-Mails, meine ich.«
    Er nickte, drehte den Stuhl zurück zum Computer und machte mir neben sich Platz. Als ich mich langsam heranschob, vorsichtig, weil ich nicht neugierig wirken wollte, zog er mich zu sich. Ich stolperte, fiel halb auf seinen Schoß und versuchte, mich wieder aufzurappeln. Aber er zog mich zurück auf seine Knie und legte einen Arm um meine Taille – vorsichtig, als wollte er fragen:
Ist das okay so?
Es war okay, obwohl mein Blut mir so laut in den Ohren hämmerte, dass ich kaum denken konnte. Ein Glück, dass ich ihm jetzt den Rücken zuwandte, denn mein ganzer Kopf glühte.
    Ich hatte den Blick von vorhin also nicht missverstanden. Da war etwas. Oder würde etwas werden, hoffte ich. O Gott, wie ich das hoffte. Aber im Moment war hier einfach zu viel anderes im Gang. Ich hasste, dass es so war, aber in gewisser Weise war ich zugleich froh darüber – es gab

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