Höllenherz / Roman
an der Uni lag.
»Was macht Belenos hier?«, wollte Baines wissen. »Ist er irre? Dies ist Omaras Territorium.«
»Er ist völlig wahnsinnig«, pflichtete Talia ihm bei.
»Und was läuft da zwischen Ihnen beiden?«
Talia blickte auf ihre Hände hinab und zupfte an ihrem abgestoßenen Nagellack. Die Erinnerung fühlte sich wie Sodbrennen an, heiß und bitter.
»Ungefähr ein Jahr nach meiner Wandlung kam Belenos mit einem hirnverbrannten Plan hierher. Omara nahm ihn gefangen und hielt ihn einige Monate lang fest. Die hochrangigen Vampire bekämpfen sich dauernd, nur musste er sie diesmal richtig stinksauer gemacht haben, denn sie spielte ihm übel mit. Bei seiner Rückkehr war er wahnsinniger denn je. Sie hatte ihn körperlich gebrochen und muss auch irgendetwas mit seinem Verstand angestellt haben.«
Talia atmete tief ein, um ihren Magen zu beruhigen. »Am Tag nach seiner Heimkehr schlachtete er seinen halben Hofstaat ab.«
Mit geschlossenen Augen rief sie sich die Bilder ins Gedächtnis. »Sein Haus hat einen weißen Steinboden, in den das Blut einsickerte. Anscheinend kann man die Flecken mit einem extrastarken Industriereiniger wieder herausbekommen, was er allerdings niemandem erlaubte. Ihm gefällt es, über die Flecken zu gehen, wo er ihnen die Köpfe abriss, dass die Blutfontänen über seine Füße sprühten – und über uns, denn wir standen dabei und warteten darauf, die Nächsten zu sein. Wer wegzulaufen versuchte, wurde umgebracht.«
Ihr Körper erinnerte sich genauso gut wie ihr Geist, und ihr wurde übel.
»Was hat ihn so aufgebracht?«
»Ihn schmerzt, dass er nicht mehr schön ist. Und er dachte, wir würden uns über ihn lustig machen.«
»Haben Sie das denn?«
»Ha, absolut nicht! Wir hatten viel zu viel Angst. Das einzig Gute war, dass es nach seiner Raserei nicht mehr genug Wachen für sämtliche Ausgänge aus seinem Horrorkabinett gab. So konnte ich fliehen. Bei der ersten Gelegenheit rannte ich weg.« Mit einem Koffer voller Bargeld.
Baines kaute grübelnd auf seiner Unterlippe. Menschen verstanden nie, dass Monster Leute waren, aber eben auch Monster. Sie wurden auf eine Weise missverstanden, auf die Gutmenschen überhaupt nicht kamen.
Talia hüstelte. »Also, wollen Sie Beweise oder nicht?«
Er wurde ein bisschen blass. »Ja, und ich gehe mit Ihnen. Sonst sind die Indizien vor Gericht wertlos.«
»Einverstanden.«
»Bin ich sicher?«
Sie sah zu seiner Waffe. »Solange ich es bin.«
Es war durchaus denkbar, dass Baines sich gegen sie wandte. Vielleicht hatte er sogar ein ganzes Kommando an der Grenze nach Spookytown postiert. Das konnte sie nicht wissen – aber eine bessere Chance, Gerechtigkeit für Michelle und Freiheit für sich selbst zu erlangen, bekam sie nicht. Und sollte sie helfen können, Belenos an die Wand zu nageln, umso besser. Menschen mochten machtlos gegen Geisterbeschwörung sein, aber sie hatten das Gesetz und die Bürokratie auf ihrer Seite. Und diese bildeten ebenfalls eine Form von erbarmungslosem Horror.
Baines nickte. »Okay, und anschließend reden wir über den Kerl, der durch die Wand gesprungen ist.«
Ein Stich durchfuhr Talia. Offenbar war dies die Nacht der Richtigstellungen, und da durfte sie nicht zögern. Es würde ihr das Herz brechen, aber sie musste Max für sein Tun zur Verantwortung ziehen. Er war menschlich. Baines war die menschliche Polizei. »Ich erzähle Ihnen alles, was ich weiß – an einem Ort meiner Wahl.«
In dem Moment, in dem sie es aussprach, war ihr, als müsste sie sich übergeben.
»Geht es Ihnen gut?«, fragte er ernstlich besorgt.
»Gehen wir lieber, ehe Lor zurückkommt.« Sie blickte nochmals zu Baines’ Waffe.
Wenn etwas schiefging, wollte sie Lor nicht in der Schusslinie haben.
Dies war ihr Risiko, und er hatte ein Rudel, das ihn brauchte.
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26
Freitag, 31. Dezember, 19 Uhr 15
101.5 FM
U nd einen schönen Silvesterabend unseren Hörern draußen im Radioland. Hier ist Signy White, eure Notfallmoderatorin heute Nacht bei CSUP , dem super Übernatürlichensender. Errata Jones hat heute Nacht frei.
Den Countdown bis zum neuen Jahr fangen wir wohl alle am liebsten damit an, dass wir uns ansehen, wo wir waren und wohin wir gehen. In drei Wochen findet eine Wahl statt, die uns möglicherweise den allerersten nichtmenschlichen Sitz im Stadtrat beschert.
Als eine der Untoten finde ich das ziemlich spannend, möchte aber von jenen hören, die keine Vampire sind, wie sie darüber denken. Glaubt ihr,
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