Höllenherz / Roman
riesiger furchteinflößender Feuerball pfiff den Korridor entlang.
Der Feind!
Der Feuerball war größer, heller und schneller als alles, was Talia je gesehen hatte. Knurren und Fauchen ertönten um sie herum, und Talia hörte Joes wütenden Schrei. Sie drehte sich um und rannte zu Errata zurück. Die Reporterin war unbewaffnet.
»Lauf!«, befahl Talia ihr.
Errata gehorchte. Keine von ihnen drehte sich um, bis sie die letzte Stelle erreichten, an der sich zwei Gänge kreuzten. Sie duckten sich in den Eingang des quer verlaufenden Tunnels und kauerten stumm in der Dunkelheit. Ein wütendes Grollen war zu hören, dann nichts. Das hypnotische Wellenschlagen des Ozeans schien sich direkt unter Talias Füßen zu befinden.
»Was jetzt?«, flüsterte Errata.
Ein Feuerball, der am Tunneleingang vorbeiflog, ließ beide zusammenzucken. Talia entging nicht, dass Erratas Herz sehr schnell pochte. Yaref flog vorbei. Pause. Dann folgte ein gigantischer Wolf.
»War das Joe?«, flüsterte Talia.
»Ich glaube schon.« Errata hielt sich einen Finger an die Lippen.
Vier Gestalten rannten an ihnen vorbei, zwei Vampire und zwei Schlächter. Talia erkannte die beiden Leutnants ihres Vaters auf Anhieb. Sie zusammen mit den Untoten zu sehen war schlicht
komisch.
Tränen stiegen ihr in die Augen, als wollten sie den Anblick fortspülen. Ihr alter Stamm war gewalttätig und voller Hass, doch jetzt hatten sie alles verraten, wofür sie standen, um noch mehr Macht zu gewinnen …
Einer der Vampire blieb stehen, ließ eine Flamme in seiner Hand aufscheinen und schleuderte sie mit der Geübtheit eines Profisportlers. Talia juckte es in den Fingern, auf ihn zu schießen, aber sie konnte nicht ihn und die anderen drei überwältigen, ohne dass sie zurückfeuerten.
Der Vampir rannte weiter. Talia wartete, bis die Schritte verklungen waren, ehe sie sich rührte.
»Weißt du noch, wie wir zurückkommen?«, fragte Errata.
»Baines ist noch hinten in dem Tunnel. Wir müssen versuchen, ihn zu finden.«
»Wir haben weder Joe noch die Hunde.« Errata sah unsicher aus. Sie holte ihr Handy heraus, das in diesem Teil des Tunnelsystems jedoch keinen Empfang hatte.
»Wir können wenigstens nach Baines suchen«, entgegnete Talia. »Yaref dachte, dass er in dem Tunnel ist. Es kann nicht mehr weit sein. Irgendwo endet der Gang.«
Talia konnte Errata ansehen, wie sie überlegte und ihre Abenteuerlust mit ihrer Vorsicht rang. »Okay, sehen wir nach.«
Langsam schlichen sie in den Haupttunnel zurück. Alle paar Meter blieben sie stehen und horchten. Sie hielten sich dicht an der Wand. Stellenweise war der Boden schwammig, bestand nur aus vergammelten Holzbohlen.
Wie Talia vermutet hatte, war nicht viel von dem Tunnel übrig. Schon bald konnten sie das Ende sehen, ein rundes Mauerloch, durch das man auf den grauen Ozean blickte. Schneeflocken trieben als diagonaler Vorhang vor der Öffnung vorbei. Der Wind war eiskalt.
An der Tunnelöffnung lag ein vertäutes Rennboot, auf das Errata ihre Kamera richtete. »Wollen wir wetten, dass die Kerle hiermit gekommen sind? Denkst du, dass sie diesen Eingang bewachen?«
»Achtung!«, rief Talia.
Errata erstarrte und nahm die Kamera von ihrem Gesicht. Ungefähr sechs Meter vor der Tunnelöffnung klaffte ein Loch im Boden. Errata schaute nach unten. »Ach du Schreck! Baines!«
Talia rannte zu ihr. Der Detective hatte sich an einer Wand aufgesetzt und seine Waffe in der Hand, aber er war buchstäblich weiß im Gesicht und eingefallen vor Kälte.
»Sind Sie verletzt?«, erkundigte Talia sich.
»Ich habe mir beim Sturz das Knie angeknackst.«
»Vielleicht kann ich Sie rausziehen.«
»Passen Sie auf die Katze auf!«, warnte er.
»Häh?«, machte Errata.
»Nicht Sie, eine andere Katze. Ich habe mein gesamtes Pfefferspray aufgebraucht, als ich sie abwehrte, aber sie muss noch in der Nähe sein.«
Errata trat einige Schritte von dem Loch zurück, drehte ihren Kopf hin und her und schnupperte. »Ist sie sehr groß?«
»Ungefähr wie Fluffy, aber auf Speed, und der ist schon fies.«
Schnell schaltete sie ihre Kamera aus und verstaute sie sicher in ihrem Lederrucksack. »Nimm du den«, sagte sie und reichte Talia den Rucksack. »Ich muss die Gestalt wechseln.«
Talia stellte den Rucksack seitlich von sich ab und legte sich auf den Bauch, Kopf und Schultern über das Loch gelehnt. Sie erinnerte sich, dass man flach liegen musste, wenn man jemanden aus einem vereisten See retten wollte, und schätzte, dass ein
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