Höllenherz / Roman
heraus und fühlte, wie aus dem Sickern ein stetes Fließen wurde. Belenos regte sich. Hastig tastete sie nach der Browning, die er fallen gelassen hatte.
Gruselig, mit Hirnmasse und Blut, die ihm übers Gesicht liefen, setzte der König sich auf.
Talias Gehirn musste einen Kurzschluss haben. Sie sah nichts mehr außer Farbklecksen, und in ihrem Kopf hob ein Kreischen an wie bei einem Autounfall, wenn Metall an Metall rieb. »Tritt zurück, Max!«
Sie hatte die Browning gefunden und hob sie an. Sie war eine gute Schützin, doch aus dieser Entfernung konnte nicht mal ein Idiot sein Ziel verfehlen.
Und sie begann zu feuern. Ein Sprühnebel lauwarmen Bluts traf auf ihr Gesicht und ihre Arme, was sie jedoch nicht bremste. Sie schoss weiter.
Und schoss, bis nur noch das Klicken des leeren Magazins ertönte.
Belenos hatte keinen Kopf mehr.
Max war fort.
Dann wurde alles schwarz.
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31
A ls sie zu sich kam, konnte Talia sich nicht entscheiden, was sie am dringendsten brauchte: Schlaf, Wasser, Blut, Medikamente oder einen Therapeuten.
Ein Bad.
Sie richtete sich zum Sitzen auf. Die Messerwunde, die Belenos ihr zugefügt hatte, brannte, blutete aber nicht mehr.
Belenos.
Die grausige Ruine seines Körpers lag da, eine Armlänge entfernt. Er zersetzte sich, löste sich zu dem staubigen Schleim auf, in den Vampire sich verwandelten, wenn sie ein zweites Mal starben. Sie hatte ihn wirklich getötet, einen Vampirmonarchen umgebracht. Ihren Meister. Ihren Verfolger. Ihren Mörder.
Sie war eine Schlächterin gewesen und hatte schon vorher getötet. Eigentlich hätte sie Reue, Triumph, Zufriedenheit, irgendetwas empfinden sollen, doch sie fühlte gar nichts. Vielleicht stellten sich solche Gefühle erst später ein. Womöglich war dies hier zu persönlich, zu tief für gewöhnliche Regungen.
Im Moment funktionierte sie mehr, als würde sie im Geiste eine Strichliste abhaken. Belenos musste getötet werden. Keine Frage. Abgehakt. Erledigt.
Plötzlich drehte Talia sich um und erbrach einen Schwall Flüssigkeit. Zwar traf nichts davon sie selbst, sehr wohl aber den verfallenden Klumpen, der einer von Belenos’ Füßen gewesen war. Ihr Körper reagierte, auch wenn ihr Geist vollkommen abgestumpft war.
Ich muss hier raus!
Allmählich kehrten ihre Sinne wieder, und der Gestank war entsetzlich.
Als sie aufstand, strömten alle Erinnerungen in einem einzigen Wirrwarr auf sie ein. Michelle, endlich gerächt. Max, der gekommen war, um seine Schwester zu retten, aber zu große Angst gehabt hatte, um zu bleiben. Angst vor Dad.
Belenos war ein wahnsinniger, gefährlicher Schweinehund, doch in mancher Hinsicht fungierte er stellvertretend für den wahren Schurken in diesem Stück. Ihr Vater, der große Mikhail Rostova, war derjenige, der seiner Tochter ihre echten Wunden beigebracht hatte. Ohne ihn hätte Belenos nie eine Chance gehabt, sie auch nur anzufassen.
Und er war da draußen mit den übrigen Schlächtern und brachte ihre Freunde um.
Lor.
Sie wusste, dass er auf sich selbst aufpassen konnte, trotzdem handelte es sich um Magie und Schlächter, mit denen er es aufnahm.
Ich muss ihm helfen.
Ich muss meinen Vater aufhalten.
Bei dem Gedanken daran, ihm entgegenzutreten, fingen Talias Hände zu zittern an. Wie lange war sie bewusstlos gewesen? Verstohlen blickte sie zu Belenos. Es konnte nicht allzu lange gedauert haben. Vampire verwesten schnell, und es waren noch einige Stücke von ihm übrig.
Sie nahm sich seine Waffen, zog das lange Messer aus den Überresten seines Brustkorbs. Ohne einen weiteren Blick ließ sie ihr Gefängnis mitsamt ihrem Kerkermeister zurück.
Um den ersten Mann zu suchen, der sie verletzt hatte.
Talia wanderte eine Weile, lauschte auf die Kampfgeräusche um sie herum, sah jedoch niemanden, bis sie ein ganzes Stück weiter südlich gelangte. Was war los? Was hatte Belenos noch gesagt?
Die Pläne haben sich geändert. Wir müssen schnell weg.
Wenn er zusammenpackte und die Gefangenen tötete, hatten er und die Schlächter verloren. Eine erste Regung von Zufriedenheit wärmte Talia.
Im selben Moment bemerkte sie eine Vierergruppe ein Stück weiter vorn. Ihre Waffen in beiden Händen haltend, rannte sie so leise wie möglich vorwärts. Bei den vieren handelte es sich um eine Frau und drei Männer. Als sich einer von ihnen zur Seite wandte, um etwas zu der Frau zu sagen, erkannte Talia Joes Profil. Der Größe und Haltung der anderen beiden nach mussten sie Höllenhunde in menschlicher
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