Höllenherz / Roman
Handschellen.
Talia krabbelte rückwärts und drängte sich in die Ecke zwischen Bett und Wand. »Was hast du vor?«
»Eine zusätzliche Schutzmaßnahme.«
Sie riss frustriert an der bereits vorhandenen Fessel. »Lass mich in Ruhe, verdammt!«
»Du hattest die Wahl, entweder ich oder die Polizei.«
Lor streckte einen Arm über sie hinweg. Sein langer Körper überspannte mühelos die breite Matratze. Talia drückte sich tiefer ins Kissen, als sein Gesicht ihrem zu nahe kam. Sie machte sich auf die typische maskuline Moschusnote gefasst, nur nahm sie etwas anderes wahr. Sein Duft war kräftiger, dunkler.
Höllenhund.
Ihre Nackenhaare richteten sich auf.
Das muss am Dämonenblut liegen, denn Mrs. McCreadys Cocker roch nicht annähernd so gut.
Unter keinen Umständen würde sie sich von ihm auch die andere Hand anketten lassen. Sein Gesicht war sehr dicht an ihrem, und eine Mischung aus Vorsicht und Entschlossenheit funkelte in seinen dunklen Augen. Talia krümmte ihre Finger, überschlug in Gedanken den Winkel zwischen Lors Nase und ihrem Handballen. Mit hinreichend Kraft könnte sie ihn bewusstlos schlagen. Die weiche Matratze würde sie einiges an Schwung kosten, aber sie wollte es unbedingt versuchen.
Mist!
Er hatte es kommen sehen, denn seine Hand schnellte nach oben und blockierte den Schlag. Rasch plante Talia neu und langte nach seinem Waffenhalfter. Lor löste das Problem, indem er sich auf sie fallen ließ, so dass sie unter seinem Gewicht eingeklemmt war. Plötzlich war ihre Nase in seinem Haar, ihr Busen an seine breite, starke Brust gedrückt.
»Runter von mir!«, zischte sie ihm ins Ohr. Sein Hals war direkt
hier,
der Puls wie eine verbotene Süßigkeit. Sie hatte gehört, dass manche Vampire Dämonenblut mochten.
Talia fühlte die Kraft in seinem Körper, die sich dehnenden und wölbenden Muskeln unter seiner Kleidung. Sie spannte sich an, wollte Bewegungsfreiheit, um zu kämpfen, stieß jedoch nur gegen eine massive Wand aus Höllenhund, wo sie sich auch hinbewegte. Lor packte ihr rechtes Handgelenk.
Verflucht!
Sie stieß einen klagenden Schrei aus.
Er rührte sich nicht, hielt sie einfach nur an Ort und Stelle, ihre Gesichter nur einen Hauch voneinander entfernt. Seine Augen waren so finster, dass Talia nicht zwischen Iris und Pupille unterscheiden konnte.
»Bist du jetzt brav?«, knurrte er.
Talia kniff die Augen zu. »Bitte, fessle meine andere Hand nicht! Das ist nicht nötig. Ich kann nicht ausbrechen.«
Ihre Stimme ergab sich endgültig der Furcht und bebte unkontrollierbar. Sie war noch eine viel zu junge Vampirin, als dass sie sich aus Silberhandschellen hätte befreien können, und nicht ansatzweise so stark wie ein Höllenhund. Gemessen an ihm hätte sie ebenso gut noch menschlich sein können.
Mit der Hilflosigkeit kehrten schlimme, sehr schlimme Erinnerungen zurück.
»Versprichst du mir, artig zu sein?« Diesmal klang die Frage sanfter.
Sie nickte und hasste sich für ihre Fügsamkeit. »Ja. Ja, natürlich.«
Sie log. Das müsste er wissen. Es war die oberste Pflicht eines jeden Gefangenen, eine Flucht zu versuchen – selbst wenn sie keinen Schimmer hatte, wie sie das anstellen sollte.
Er stemmte sich auf Hände und Knie auf. Talia war nach wie vor unter ihm gefangen, und sie fühlte noch die Wärme seiner Hände auf ihrer Haut. Seine Berührung war sachlich gewesen, anständig, jedenfalls sofern man das Anketten einer Frau überhaupt mit solch einem Adjektiv beschreiben durfte. Und doch erkannte sie etwas in seiner Miene, als er zu ihr hinabsah, das zweite Paar Handschellen immer noch lose in der Hand. Etwas
anderes.
Sein Blick machte ihr jede noch so kleine Bewegung unmöglich.
Sie widerstand dem Impuls, sich zu einer Kugel zusammenzurollen und ihre verwundbarsten Stellen zu bedecken. Er sah sie an, als hätte er eben beschlossen, dass sie ziemlich lecker sein könnte – und das auf mehr als eine Weise. Und das Übelste war, dass Talia gänzlich falsch darauf reagierte.
Sie schluckte und bemühte sich, ihn trotzig anzusehen. Nein, sie würde nicht klein beigeben.
»Böser Hund!«
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7
Böser Hund?
S ie hatte ja keine Ahnung!
Mögen die Propheten mich verschonen!
Lor stürmte ins Treppenhaus und rannte in den vierzehnten Stock zurück, wobei er jeweils zwei oder drei Stufen auf einmal nahm. Es war eine lange Nacht gewesen, aber zum Glück machte seine Wut jede Müdigkeit wett. Seine Nerven sprühten förmlich Funken.
Es gab ein menschliches Sprichwort,
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