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Höllenherz / Roman

Höllenherz / Roman

Titel: Höllenherz / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Ashwood
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eure Geliebte, wäre es eine gute Idee, seine oder ihre Beweggründe zu kennen.«
    Dienstag, 28. Dezember, 23 Uhr
Talias Wohnung
    Ich kann immer noch entkommen.
    Talias Denken wurde nach wie vor von Schock und Trauer beeinträchtigt, aber ihr fielen die Lektionen ihres Vaters wieder ein. Wurde man nur lange genug gedrillt, konnte alles zum Reflex werden – selbst die Kunst des Fliehens.
    Sie fällte einen verzweifelten Entschluss, aber sie wollte lieber ihr Glück mit einem einzelnen Bewaffneten versuchen als mit der menschlichen Polizei, selbst wenn der Bewaffnete enorm stark war. Die Menschen waren es nicht, dafür waren sie einfach verdammt viele. Außerdem war sie bei ihnen bisher nicht aufgefallen, und tauchte man erst einmal in ihren Computern auf, wurde das Untotendasein ungleich komplizierter.
    Ein einzelner Angreifer hingegen konnte sie nicht jede Sekunde überwachen. Bis Lor sie in seine Räuberhöhle oder Spionagezentrale oder Widerstandszelle, oder von wo aus auch immer er operierte, geschafft hatte, blieb ihr noch ein Zeitfenster, innerhalb dessen sie ausbrechen konnte.
    Hoffte sie jedenfalls. Er ließ sie keinen Zentimeter ausweichen, hielt ihren Arm eisern umklammert. Auf dem Weg die Treppe hinunter drückte er ihr die Ruger in die Rippen und die gefesselten Hände auf ihren Rücken, dass ihr die Schultern weh taten.
    Es war ein komisches Gestolper, Stufe für Stufe, bei dem Lor sie nicht einmal einen halben Schritt vorließ. Ihre Füße schabten und hallten, als sie von einem Treppenabsatz zum nächsten gelangten, ohne ein Wort zu sprechen. Talia schwieg, weil sie nicht wollte, dass er die Angst in ihrer Stimme hörte. Manche Mistkerle machte das erst richtig scharf.
    Lor ließ die Ruger für sich sprechen. Mann, sie hasste diesen starken, schweigsamen Ich-hab-die-größte-Knarre-Typen! Was es noch schlimmer machte, war, dass sie den Eindruck gewann, an Verstand würde es ihm auch nicht mangeln. Schweigsam bedeutete keinesfalls blöd. In seinem Fall hätte sie eher auf das Gegenteil gewettet.
    Die Neonlichter im Treppenhaus surrten und flackerten, und im grellen Schein stach jedes Kaugummipapier, jeder abgeplatzte Farbbrocken ins Auge. Talia wurde schwindlig, weil sie die ganze Zeit nach unten auf die identischen Stufen blickte. Wenn sie richtig gezählt hatte, mussten sie sich auf halbem Weg zur Tiefgarage befinden, wo er sie wahrscheinlich in den Kofferraum eines Wagens verfrachtete und zur nächsten Katastrophe fuhr, die das Universum für sie in petto hatte.
    Hast du das etwa nicht verdient? Hätte Michelle dich nicht aufgenommen, wäre sie noch am Leben. Allein wegen dir wurde sie ermordet. Ebenso gut hättest du selbst das Schwert schwingen können. Und sie war nicht das erste unbeteiligte Opfer, nicht der erste geliebte Mensch, den du zerstört hast.
    Vor Verzweiflung bekam sie plötzlich weiche Knie, knickte für einen Moment ein und stolperte. Lor packte ihren Arm und schob sie zum Notausgang im fünften Stock.
    »Wo gehen wir hin?« Sie hätte Antworten verlangen, stolz und wütend gegen ihn aufbegehren sollen, aber stattdessen klang sie entsetzlich atemlos und schwach. Sie musste kämpfen, doch sie ertrank in Kummer.
    Er blieb kurz stehen und vergewisserte sich, dass niemand auf dem Korridor war, ehe er sie weiterzerrte. »Ich schließe dich ein, schon vergessen?«, murmelte er.
    Eine Sekunde lang überwog ihre Verwirrung alles andere. »In deiner Wohnung?«
    »Was hast du denn gedacht? In einer Gruft? Bedaure, damit kann ich nicht dienen.«
    Eine kranke Freude durchfuhr sie. Gefangene zu halten erforderte Lärmdämmung, Schlösser, Abgeschiedenheit. Das war kein spontanes Projekt, das sich überall und jederzeit inszenieren ließ.
    Sie schluckte. »Ist das ein Hobby von dir, Mädchen einzusperren?«
    »Halt den Mund!« Er schob sie gegen die Wand, seine Waffe zwischen ihren Schulterblättern, während er seine Wohnungstür aufschloss. »Und denk nicht mal dran, irgendwelchen Lärm zu machen! Vampire sind schwer zu töten, aber es ist nicht unmöglich.«
    Talias Wange war an die Tapete gepresst, und sie blickte sehnsüchtig den Korridor hinunter. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als dass irgendein Nachbar auftauchte.
    Leider kam nie jemand, der sie rettete. Sie war schlicht nicht so ein Mädchen.
Du bist ein Monster.
Wieder spürte sie, dass ihr eine Träne über die Wange rollte, aber sie wagte nicht, sich zu rühren.
Rette mich, rette mich, rette mich!
Sie konnte Lor atmen und

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