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Höllenherz / Roman

Höllenherz / Roman

Titel: Höllenherz / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Ashwood
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stand sie unter Hochspannung. In der Stille hörte Lor, wie ein Optimist draußen probierte, seinen eingefrorenen Wagen zu starten.
    »Ich weiß, wie es ist, in einem Gefängnis aufzuwachsen«, sagte er.
    »Wie bist du rausgekommen?«
    »Eines Tages öffnete sich rein zufällig eine Tür, und ein paar von uns konnten entkommen. Es dauerte eine Weile, ehe wir die Welt hier verstanden. Sie ist so vollkommen anders. Vorher hatte ich nie den Himmel erblickt oder Dinge wachsen gesehen.«
    Talia legte ihre Hand auf seinen Unterarm. Es war eine alltägliche Geste, doch dass sie erstmals von sich aus einen Schritt auf ihn zu tat, rührte Lor. Er fühlte sich gleichzeitig eingeschüchtert und doppelt so groß.
    »Sobald ich konnte, kehrte ich zurück, um die anderen zu holen. Viele wurden von den Warlords in der Burg als Sklaven gehalten. Wir sind stärker als die meisten anderen Spezies, deshalb behielten sie Frauen und Kinder als Sicherheit, damit wir uns nicht gegen sie wenden. Viele Hunde wollten ihre gefangenen Familien nicht zurücklassen. Also schmuggelte ich Waren ein, die in der Burg rar waren, von denen es hier jedoch reichlich gab – Kleidung, Bücher, Werkzeug. Diese tauschte ich gegen so viele Hunde ein, wie ich konnte. Für drei Paar Schuhe kaufte ich ein Hundekind aus der Sklaverei. Einen nach dem anderen bekam ich sie aus der Burg. Irgendwann konnte ich andere überreden, mir zu helfen, den Rest des Rudels zu retten, der sich in den Kerkergängen versteckte. Es war eine brutale Schlacht mit vielen Opfern, aber keiner blieb als Gefangener zurück.«
    Talia blinzelte. »Keiner?«
    »Nein.«
    »Du hattest nichts und hast deine Leute in Sicherheit gebracht. Also, warum passiert mir das hier alles?«, flüsterte sie.
    »Niemand bittet darum, Ziel eines Killers zu werden.«
    Für einen Moment schien sie zu ersticken. Er sah Tränen unter ihren langen dunklen Wimpern, die mattrosa über ihre Wangen liefen. »Das meine ich nicht. Ich habe nicht darum gebeten, gewandelt zu werden.«
    Lor schrak leicht zusammen, und sie sah zu ihm auf. Der gequälte Ausdruck in ihren Augen machte ihm klar, was sie meinte. Wenige Vampire wurden gewandelt, erst recht nicht in heutigen Zeiten, weil das menschliche Gesetz es verbot. Und gegen seinen Willen wurde überhaupt keiner gewandelt.
    Die einzige schlüssige Erklärung war, dass Talia schon einmal ermordet worden war.
    Eisiges Entsetzen packte Lor. Entsetzen und Wut.

[home]
16
    Mittwoch, 29. Dezember, 20 Uhr
101.5 FM
    G uten Abend, hier sind die CSUP -Nachrichten auf 101.5 FM in Fairview. Unsere Topmeldung heute Abend ist das Feuer, das die South Fairview Medical Clinic sowie das Wahlkampfbüro von Michael de Winter zerstörte, dem ersten nichtmenschlichen Kandidaten für die Stadtratswahl. Obwohl erste Ermittlungen keinen Hinweis auf Brandbeschleuniger ergaben, geht Detective Derek Baines von Brandstiftung aus. Die Nachricht erschütterte ganz Fairview, und schon werden Gerüchte von einem Anschlag laut. Königin Omara, die de Winters Kandidatur unterstützt, hat ihre ursprünglichen Pläne geändert und will nach Fairview kommen, sobald das Wetter es zulässt.«
    Mittwoch, 29. Dezember, 20 Uhr
Lors Wohnung
    Talia hörte, wie die Wohnungstür ins Schloss fiel.
    Wieder allein, lag sie seitlich auf dem Bett, das Gesicht zur Wand. Sie hatte bis zur Erschöpfung geweint, und Lor war schließlich gegangen, als er glaubte, dass sie eingeschlafen wäre.
    Die Wut und die Tränen hatten Michelle gegolten, aber auch ihr selbst. Jahrelang hatte Talia ihre eigenen Wunden verdrängt, bis sie nun wieder aufbrachen und beweint werden wollten.
    Währenddessen hatte Lor sie einfach im Arm gehalten. Er hatte ihr nicht einzureden versucht, alles würde gut, und dafür war sie ihm sehr dankbar. Seine Lügen brauchte sie ganz gewiss nicht – andererseits hatte er gesagt, dass Höllenhunde gar nicht lügen konnten. Was wiederum für einen Schimmer von Vertrauen zwischen ihnen sorgte.
    Dennoch wusste sie ihn nicht recht einzuordnen. Was war er? Ein Menschhund? Ein Hundemensch? Ein Dämon? Jemandem wie ihm war sie noch nie begegnet. Schlächter jagten Monster, sie lernten sie nicht kennen.
    Und wie stand es um sie, wo sie nun selbst ein Monster war? Darüber nachzudenken, hatte sie bislang sorgsam vermieden. Ihre Existenz war ein tägliches Lavieren zwischen Selbstekel und Überlebensinstinkt. Andere Untote stellten für sie nach wie vor wandelnde Leichen dar. Was vielleicht kurzsichtig war, nur

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