Höllenherz / Roman
Kurzwahltaste für Perry, wurde aber direkt zur Mailbox weitergeleitet.
Die Rampe führte neben die Tür. Lor blickte sich um und bemerkte einen roten Schmierstreifen an der Wand.
Blut?
Automatisch sah er nach unten. Auf dem Fußboden entdeckte er rote Spritzer.
Nein!
Perry war getroffen worden. Eine Spur zog sich von der Tür weg in den Korridor.
Lor lief ihr nach und wählte gleichzeitig nochmals Perrys Nummer. Die blechernen Töne von
Blue Moon
erklangen aus einer Sitzgruppe ein Stück weiter. Lor wurde mulmig, als er auf die Musik zusprintete.
Perry lag auf einem der Sofas, schlotternd und blutüberströmt.
[home]
19
Donnerstag, 30. Dezember, 19 Uhr 30
Fairview General Hospital
S ilberkugeln?«, hauchte Talia ins Telefon.
Sie hörte an seiner Stimme, wie angespannt Lor war. »Es war ein Sicherheitsgeschoss, gefüllt mit Silberpellets. Die Wunde war nicht sehr tief, aber es ist einiges von dem Metall in seinen Blutkreislauf eingedrungen.«
Talia wusste nur zu gut, was das bedeutete, denn sie hatte diese Munition selbst schon benutzt. Die Organe wurden stark geschädigt, was letztlich zum Tod führte.
O Gott, Perry!
Es war eine schreckliche Art zu sterben, aber wenigstens ging es relativ schnell. »Triff mich in einer halben Stunde vor dem Krankenhauseingang!«
Sie legte auf, ehe Lor widersprechen konnte. Für Talia war es okay gewesen, in seiner Wohnung zu bleiben, während er zur Universität fuhr, doch jetzt konnte sie nicht mehr tatenlos herumsitzen. Einzig professionelle Monsterkiller benutzten solche Geschosse, denn sie waren schwer zu bekommen, teuer und handgefertigt, und Talia kannte sich damit aus.
Unter den Schlächtern hatte sie zu den besten Schützen gehört. Sie wusste, wo man Spezialmunition bekam, wer sie in welchem Hinterzimmer anfertigte und woran man die jeweiligen Hersteller erkannte. Sicherheitsgeschosse zerplatzten beim Aufprall, weshalb herkömmliche Ballistik nichts brachte, aber es könnte Hinweise geben, woher die Kugel stammte. Mit ein bisschen Glück fand sie vielleicht sogar heraus, wer abgedrückt hatte. Perry hatte bewiesen, dass sie Michelle nicht ermordet haben konnte. Folglich schuldete sie ihm etwas und sollte alles für ihn tun, was sie konnte.
Ihr sechster Sinn sagte ihr, dass Eile geboten war. Wenigstens hatte sie inzwischen das Waffenproblem gelöst. Bei ihrer Suche früher am Abend hatte sie den Schrank entdeckt, in dem Lor seine Spielzeuge aufbewahrte. Dort befand sich eine verschlossene Kiste, die von einem dieser Britzelzauber geschützt wurde, doch sie entdeckte ein Messer in einer Scheide, die sie sich an die Wade schnallen konnte. Wahrscheinlich war der Gurt für Lors Unterarm gedacht. Egal.
Voller Entschlossenheit schlüpfte sie in ihren Mantel und rannte in den Schnee hinaus. Einige der Hauptbuslinien verkehrten noch, und auf keinen Fall würde jemand sie unter der großen Kapuze, mit dem dicken Schal, den Fausthandschuhen und den zig Schichten Pullovern erkennen. Alle draußen auf den Straßen wirkten wie Strickwarenbündel, folglich bezweifelte Talia, dass irgendjemand sie als Untote entlarven, geschweige denn in einer Buswarteschlange nach ihr suchen würde.
Der Bus brauchte länger als erwartet, aber immerhin ließ er sie vor der Klinik heraus. Der Parkplatz war so gut wie verlassen, auch wenn reichlich Leute den Weg in die Notaufnahme geschlittert, geglitscht und durch den Schnee geschoben worden sein mussten, denn vor dem Tresen stand eine dichte Traube, die es Talia leicht machte, sich unbemerkt vorbeizuschleichen. Die Schwestern waren zu beschäftigt, als dass sie sich mit einer jungen Frau abgegeben hätten, die an der Theke vorbeiging, den Hals gereckt und Ausschau nach einem Höllenhund haltend.
Der graue Fliesenboden war von nassen Schuhabdrücken übersät, deren wahrscheinliche Besitzer sämtliche Bänke besetzten. Der Gestank von nasser Wollkleidung, die zu lange nicht mehr gereinigt worden war, stieg ihr in die Nase. Überall wurde geredet, zumeist über das abscheuliche Wetter.
Nach der Stille in Lors Schlafzimmer wirkte der Lärm auf Talia beinahe überwältigend. Außerdem hatte sie Hunger. Sie hatte das eklige gekühlte Blut nicht getrunken, und nun bereute sie es, denn der klassische Krankenhausgeruch half ihr nicht gerade. Unter all den Desinfektionsmitteln war eindeutig …
Nein, denk nicht mal dran!
Im nächsten Augenblick waren auch schon alle Gedanken an Krankenhausessen vertrieben, denn sie sah Lor, der an einer Wand
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