Höllenherz / Roman
eingehüllt, lehnten lässig an der Tür und rauchten. Zu ihren Füßen standen Thermoskannen, und Talia wettete, dass darin nicht nur Kaffee war.
Obgleich sie entspannt wirkten, hatte Talia ihre liebe Not, nicht panisch an ihnen vorbeizurennen wie ein Kind an einem Spukhaus. Die Eisentore am Ausgang der Gasse standen offen, und erst als sie sie passiert hatte, atmete Talia auf, denn endlich fiel der Schatten der Burg von ihr ab.
Dann war sie auf einmal im Zentrum von Spookytown, dem belebtesten Teil der Altstadt. Lichter glitzerten im Schnee. Es waren nur wenige Autos unterwegs, aber Leute schlenderten in Grüppchen umher, lachend und plaudernd. Hier und da flog ein Schneeball durch die Luft. In Spookytown brummte nachts das Leben.
Die Lichter des Empire strahlten hell und verwandelten die Schneewehen in glitzernde Hügel. Talia schlug herrliche Wärme entgegen, als sie die Tür öffnete. Erst ein Mal war sie bislang hier gewesen, daher sah sie sich nun ein bisschen unsicher um. Der Lärm war überwältigend, denn die Hälfte der Gäste unterhielt sich lautstark, während die andere Hälfte einen alten Jazztitel mitsang, der gespielt wurde. Die Bar war voll, die Luft schwer vom Geruch nasser Kleidung, warmen Körpern und Essen.
Das erste bekannte Gesicht, das Talia entdeckte, gehörte zu Joe. Er stand hinter der Bar und zapfte ein Bier. Als er aufblickte und sie sah, schien er zunächst überrascht, dann besorgt. Sie drängte sich durch die Menge zu ihm, wobei sie einige erstaunte Blicke von den Gästen an den kleinen Tischen einheimste.
Joe stellte das Glas auf den Tresen, schob es einem fröhlich dreinblickenden Werbär hin und wandte sich dann Talia zu. »Was ist mit dir passiert?«
»Sehe ich so schlimm aus?«
Joes Augen wurden ein bisschen größer, als müsste er sich zwingen, keine allzu auffällige Reaktion zu zeigen. »Du bist fast blau. Guck dir deine Hände an!«
Sie hatte keine Ahnung, wie er das sehen konnte, denn noch war sie komplett eingemummelt. Joe griff über den Tresen, umfasste ihr eines Handgelenk und zog ihr den roten Strickhandschuh aus. Nun erkannte sie, was er meinte. Ihre Haut hatte die wenige Farbe, die sie noch besaß, verloren und war gräulich weiß. Der rotviolette Nagellack machte den Ton noch leichenhafter. »O Gott, ich brauche eine Maniküre!«
Joe rief einem seiner Barkeeper zu, er möge seine Gäste mit übernehmen.
»Mach dir keine Sorgen um mich. Das wird wieder«, versicherte Talia, deren Zähne klapperten. Es war, als hätte sie Kälte in sich gespeichert, die ihr jetzt durch sämtliche Poren entwich.
»Ja, klar. Hier.« Er feuchtete ein Barhandtuch an und wischte ihr damit das Gesicht ab – wie eine Mutter, die ihr klebriges Kind säuberte. Als er seine Hand wieder zurücknahm, waren Blut- und Schmutzflecken auf dem Lappen. Blut? Sie musste sich beim Sturz in den Tunnel den Kopf angeschlagen haben. »Setz dich!«
Zu groggy, um seinem bevormundenden Ton zu widersprechen, hockte Talia sich auf einen der hohen Barhocker. Eigentlich hätte ihr in dem Mantel zu warm sein müssen, doch sie bibberte immer noch. Langsam zog sie den anderen Handschuh aus. Ihre Finger fühlten sich geschwollen und steif an. Falls Vampire Frostbeulen bekommen konnten, stand ihr eine heftige Zeit bevor, sowie das Gefühl in ihre Extremitäten zurückkehrte.
Joe mixte etwas, das er aufschäumte wie heiße Milch. Seine vor Konzentration zusammengezogenen Brauen erinnerten Talia, wie unglaublich gut er aussah und wie traumhaft er gebaut war. Ein bisschen zu makellos schön für ihren Geschmack, doch sie hätte blind sein müssen, um es nicht zu bemerken.
Schließlich goss er seine Kreation in einen Becher, schüttete einen kräftigen Schluck Brandy hinein und stellte ihr das Getränk hin. »Trink das sehr langsam!«
Talia blickte misstrauisch in den Becher. »Nicht dass ich nicht dankbar bin, aber das ist pink.«
»Jammer nicht, trink! Es ist gesund für unterkühlte Vampire. Ich nenne es ›Das Empire beißt zurück‹.«
Behutsam hob Talia den klobigen Becher hoch, denn ihre Finger gehorchten ihr nicht so ganz. Als sie daran nippte, schmeckte sie Gewürze und Alkohol, unterlegt mit dem salzigen Aroma von Blut. »Mein Gott, das schmeckt richtig gut!«
»Tja, so etwas findest du in Lors Kühlschrank nicht.«
Sie lachte und fühlte sich plötzlich besser. »Ich glaube, er hat sowieso keine Cappuccino-Maschine.«
»Nein, aber er könnte sich wahrscheinlich aus einem Faxgerät und ein
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