Höllenherz / Roman
fremdes Bett – egal, wie entzückend es war – schenkte einem keine schönen Träume. Zumindest nicht, nachdem man auf Tuchfühlung mit Magie, verborgenen Tunneln und dem Alptraum gewesen war, in ein Unterkühlungskoma zu fallen und von Ratten gefressen zu werden.
Fraglos hatten Joes Drinks und ein heißes Bad Talia wieder aufgewärmt, sie aber auch schläfrig gemacht. Deshalb hatte sie sich zu einem Mitternachtsnickerchen hingelegt, sicher in der grünen Oase des verfallenen Hotels. Zumindest so sicher, wie sie es in Fairview sein konnte.
Nicht jedoch vor ihren Erinnerungen.
Belenos, König des Ostens, hatte neben dem Steinaltar gestanden, auf dem sie lag, seine Arme über der Brust gekreuzt wie in einem Sarkophag. Später würde sie erfahren, dass sie über Tage so dagelegen hatte, Stück für Stück ihre Menschlichkeit verlor, während Belenos sich an ihr nährte, dann sie nährte und ihr letztlich das Leben raubte. Jene Erinnerungen hatte er ihr genommen. Ein Opfer zu wandeln war ein Berufsgeheimnis, das einzig die Vampirmonarchen kannten. Es wäre ja nicht sinnvoll, wenn die Untergebenen sich ihre eigenen Spielzeuge schaffen könnten.
Das Letzte, woran sie sich erinnerte, war, dass sie auf dem matschigen Fußballplatz hinter der Highschool ausgerutscht war. Dort hatten sich fünf Schlächter versammelt: Talia, ihr Vater, ihr Bruder, Onkel Yuri und Tom. Sie hatte Tom gerade auseinandergesetzt, dass sie ihn nicht heiraten würde, deshalb hatte er ihr, als die Kugel sie in den Rücken traf, kaum eines Blickes gewürdigt, bevor er mit den anderen mitrannte. Sie hatten sie dort liegen gelassen, waren vor der Vampirmeute geflohen, die alptraumhaften Pilzen gleich aus dem Gras geschossen war. Von ihrer Warte aus, bewegungsunfähig und hilflos, hatte sie die Untoten im klaren mondhellen Himmel aufsteigen sehen.
Wenn sie den Tod aller Schlächter gewollt hätten, hätten sie das ohne weiteres erreichen können, doch hier war es um Rache gegangen. Darin bestand Belenos’ Drama: ein Tod für einen Tod, aber mit einer List.
Ihr Vater hatte Belenos’ rechte Hand umgebracht. Die Tochter des Großschlächters Mikhail Rostov zu dem zu machen, was dieser jagte, entsprach der Vorstellung des Vampirkönigs von einer einfallsreichen Strafe. Mit anderen Worten: Der Schlächter schlug zu, der Vampir schlug zurück, und Talia zahlte den Preis.
Als sie ihre Augen im Unleben öffnete, konnte sie zunächst gar nichts richtig erkennen. Belenos hatte einen weißen Anzug getragen, und sein langes rotes Haar war ihr wie ein Flammenmeer vorgekommen. Für einen irrwitzigen Moment hatte sie geglaubt, er wäre ein Engel, ehe sie klarer sehen konnte und seine nordischen Züge aus dem Nebel auftauchten. Da hatte sie sofort begriffen, was geschehen war. Sie war tot, aber nicht blöd.
Dann hatte er sich zu ihr gebeugt und ihr Kinn umfasst, damit sie den Blick nicht von ihm abwenden konnte. »Gratuliere, mein Entchen! Du hast überlebt.«
Seine Berührung hatte sie richtig wachgerüttelt. Sie wollte sich aufsetzen, aber er drückte eine Hand auf ihre Brust, so dass sie auf den kalten Stein gepresst wurde. »Nicht so schnell!«
Talias Körper hatte sich gegen die Einengung gewehrt, und noch dazu fühlte sie sich unsagbar stark. Belenos’ Blut war reichhaltig, und sie platzte fast vor dessen Kraft. Zugleich hatte sie schreckliche Angst. Sie war entsetzt, angewidert, und dennoch blickte sie ihrem Erzeuger ins Gesicht und vibrierte vor ergebener Lust.
Sie war seine Sklavin, und das wussten sie beide.
Sie faltete ihre Hände über seinen, streichelte die langen starken Finger. In dem Moment war er ihr Universum, und es verlangte sie danach, ihm zu gehorchen, während sie sich danach sehnte, ihm die Adern aufzureißen und mehr von dem erstaunlichen Blut zu trinken, das sie in eine dunkle Göttin verwandelt hatte.
»Du musst etwas für mich tun«, flüsterte er.
»Was?«
»Trink!«
Sie packte seine Hand, wollte sie an ihren Mund heben, um aus dem Gelenk zu trinken, als er sie fortzog und väterlich anlächelte. »Nein, es ist Zeit, dass du deine ersten Schritte machst. Du musst lernen, selbst deine Nahrung zu
jagen.
« Das letzte Wort troff vor Ironie. Eine Schlächterin, die das Jagen lernen sollte, haha.
Talia stand auf und wollte ihm folgen, wobei ihre Gliedmaßen so wacklig waren wie die eines neugeborenen Fohlens. Im nächsten Moment nahm sie einen köstlichen Duft auf, süß, frisch und
menschlich.
Hunger traf sie wie ein
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