Höllenherz / Roman
Fenster geöffnet.
Nun klickte sie das Licht an, das einen gedämpften Lichtkegel auf die Bettdecken warf. Talia blinzelte, während ihr ein Angstschauer über die Arme lief.
Eine gigantische Gestalt beugte sich über das Fußende des Bettes. Sie schien aus Schattenfetzen zusammengesetzt, die seltsam fedrig flirrten, sowie die Gestalt sich bewegte, als würde ihr Höllenatem entgegenblasen. Sie war vollkommen schwarz, was sie eher wie einen Abgrund denn einen festen Körper erscheinen ließ, ausgenommen die beiden Dämonenfeuer der Augen.
Höllenhund.
Kaum hatte sie das gedacht, konnte sie die aufgestellten Ohren und die lange spitze Schnauze ausmachen. Die Hunde waren für menschliche Augen unsichtbar, doch Talia war eine Vampirin.
»Lor?«, flüsterte sie.
Das wilde Knurren sollte wohl Nein bedeuten. Talia griff blitzschnell nach der Waffe unter dem Kissen, die sie Max abgenommen hatte. Sie fühlte sich hart und real an, ganz anders als der magische Talisman, den sie brauchte, um diesen Alptraum zu vertreiben.
Der Hund duckte sich und bleckte Zähne so lang wie Talias Hände. Zäher Sabber lief ihm über die Lefzen, dass sie im Lampenschein glitzerten.
»Ganz ruhig, Freundchen!«, knurrte Talia ihrerseits und zeigte dem Hund ihre Waffe. »Braver Hund.«
Er sprang los, viel zu schnell für ein echtes Tier mit Knochen und Muskeln. Talia stockte der Atem, dann feuerte sie. Sie hielt die Waffe in beiden Händen, während sie sich seitlich vom Bett rollte. Putzbrocken regneten von der Zimmerdecke herab. Der Hund landete mit einer Wucht, dass Kissen aufflogen, und drehte seinen Kopf mit einem weiteren bösartigen Knurren.
Talia glaubte, sie hätte die Bestie mitten in die Brust getroffen, musste nun aber zu ihrem Entsetzen erkennen, dass die Kugel anscheinend spurlos durch den Hund hindurchgegangen war.
Teufel!
Bevor das Biest erneut losspringen konnte, hatte Talia sich unter das hohe viktorianische Bett gerollt. Pfoten knallten auf die Holzdielen, dann schob eine schwarze Schnauze die Bettrüschen nach vorn und schnüffelte gierig.
Talia schoss auf der anderen Seite unter dem Bett hervor und nutzte all ihre Vampirschnelligkeit, um ins Bad zu rennen und die Tür hinter sich zuzuschlagen. Glasscherben lagen überall auf den Bodenfliesen verteilt, und eisige Luft strömte durch das zerbrochene Fenster herein.
Das hat mich also geweckt.
Ein energisches Kratzen an der Tür jagte Talia zum Fenster. Der Spülkasten gab eine gute Leiter ab, aber sie würde sich an den Scherben verletzen, die aus dem Fensterrahmen staken.
Und wenn schon, Vampire heilen schnell.
Dann hörte das Kratzen abrupt auf.
[home]
23
E in tiefes Jaulen erklang, bei dem das Glas am Waschbeckenrand erzitterte und Talia unweigerlich schluchzte. Der Hundeschrei mutete wie das letzte Stöhnen an, bevor Sonne und Mond erloschen.
Doch es kam nicht von der anderen Seite der Tür, sondern von weiter weg.
Ihr Angreifer antwortete mit einem
Auuuh-Uuuh,
das durch das winzige Bad hallte und Talia das Gefühl gab, sie befände sich in dem Hund. Sie vibrierte mit und erstarrte für einen Augenblick.
Dann zersplitterte Holz. Ein erneutes Knurren zerriss die Luft.
Hundekampf.
Talia sprang von der Toilette. Sie war nicht sicher, was sie tun sollte, denn auf einmal veränderte sich die Situation. Jemand war dazugekommen.
War ausnahmsweise einmal Hilfe aufgetaucht, wenn sie welche brauchte?
Sie öffnete die Badezimmertür einen Spalt und lugte nach draußen. Im Schlafzimmer war niemand, aber sie konnte das Poltern und Klatschen eines Kampfes aus dem Wohnzimmer hören. Mit der Waffe in der Hand schlich sie aus ihrem Versteck. Ob die Kugeln bei Höllenhunden etwas bewirkten oder nicht – sie wollte auf keinen Fall unbewaffnet sein.
Das Zimmer war erfüllt von sich windenden Schatten, ähnlich einem dunklen Stern, der im Begriff war zu implodieren. Rote Augen blitzten auf, und weiße Zähne schimmerten in der Dunkelheit; allerdings konnte Talia unmöglich sagen, wo der eine Hund aufhörte und der andere anfing.
Dann plötzlich war es Lor, dessen Hand den Hals einer Frau umfasste und sie zu Boden drückte. Seine Bewegungen waren fließend und übermenschlich schnell.
Die Frau war dunkel, muskulös und von einer schroffen Schönheit, bei der Talia an die Wildnis der arktischen Tundra denken musste – zumal die Fremde ungefähr genauso freundlich war. Sie wehrte sich gegen Lors Griff und fauchte zornig.
»Was ist eigentlich los?«, fragte Talia aus dem
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