Höllenjagd
Vergeltung zu üben.«
Kelly ließ sich langsam auf seinen Stuhl zurücksinken. »Ehrlich gesagt, Cromwell, die Sache gefällt mir nicht.« Er sagte nicht mehr »Mr. Cromwell«.
Cromwell lächelte grimmig. »Würde sie Ihnen gefallen, wenn ich Ihnen dafür 20000 Dollar bezahle?«
Kelly richtete sich auf und blickte Cromwell an, als wüsste er nicht, ob er ihm glauben sollte. »20000 Dollar, sagen Sie?«
»Ich möchte, dass ein Profi die Sache erledigt und nicht irgendein Schmalspurganove von der Straße.«
»Wo soll die Sache stattfinden?«
Es gab keinen Zweifel mehr, dass Kelly den Auftrag übernehmen würde. Der Saloonbesitzer war knietief in zahlreiche kriminelle Machenschaften verstrickt.
»In Denver. Bell arbeitet für das Büro von Van Dorn in Denver.«
»Je weiter weg von San Francisco, desto besser«, sagte Kelly ruhig. »Der Handel gilt, Mr. Cromwell.«
Der »Mister« war zurück und das Geschäft besiegelt. Cromwell erhob sich von seinem Stuhl und nickte in Richtung der Spielmarken auf dem Tisch. »Für den Kartengeber«, sagte er grinsend. »Ich lasse Ihnen bis morgen Mittag zehntausend in bar bringen. Den Rest bekommen Sie, sobald Bell das Zeitliche gesegnet hat.«
Kelly blieb sitzen. »Verstehe.«
Cromwell bahnte sich seinen Weg die Treppe hinunter und durch die Tänzer hindurch, die stehen geblieben waren. Er sah, dass sie seiner Schwester zuschauten, wie sie zum Vergnügen aller anderen einen provozierenden Bauchtanz auf der Bühne hinlegte. Sie hatte ihr Korsett gelockert und ihr hübsch frisiertes Haar gelöst. Ihre Hüften wiegten und kreisten sinnlich zur Musik der Band. Butler hing in trunkenem Nebel über dem Tisch, während Marion bewundernd Margarets Verrenkungen zusah.
Cromwell winkte einem Saloonmitarbeiter, der auch als Rausschmeißer fungierte. »Sir?«
»Bringen Sie den Herrn bitte zu meinem Wagen.«
Der Rausschmeißer nickte, stellte den völlig betrunkenen Butler mit geübtem Handgriff auf die Beine und warf ihn sich über die Schulter. Dann erklomm er die Treppe mit Butlers Gewicht so mühelos, als wäre er nicht mehr als ein Sack Hafer.
Cromwell beugte sich zu Marion hinunter. »Können Sie sich auf den Beinen halten?«
Sie blickte zu ihm auf, als wäre sie wütend. »Natürlich kann ich das.«
»Dann ist es Zeit zu gehen.« Er fasste sie am Arm und zog sie hoch. Marion stieg allein die Treppe hinauf. Dann wandte sich Cromwell seiner Schwester zu. Er war nicht gerade erfreut von ihrem anstößigen Benehmen. Er packte sie fest genug am Arm, um ihr einen blauen Fleck zu bescheren, und zerrte sie von der Bühne und aus dem Saloon zum Wagen, der am Bordstein wartete. Butler wurde auf den Vordersitz zu Abner verfrachtet, während Marion mit glasigen Augen hinten saß.
Cromwell ließ Margaret grob auf den Rücksitz fallen und schubste sie in die Ecke. Er saß in der Mitte zwischen den beiden Frauen, als sich Abner hinter das Lenkrad zwängte, den Motor anließ und die Straße entlangfuhr, die in bunte Lichter getaucht war.
Langsam legte Cromwell seinen Arm um Marions Schultern. Sie blickte ihn mit einem unsicheren und distanzierten Ausdruck an. Der Champagner hatte sie ein wenig träge gemacht, doch sie war nicht betrunken. Sie war bei klarem Verstand. Seine Hand drückte ihre Schulter, und sie hielt einen Moment die Luft an. Sie konnte spüren, wie er auf dem schmalen Sitz seinen Körper gegen ihren presste.
Es hatte eine Zeit gegeben, in der Marion ihren Chef attraktiv gefunden und eine große Anziehung zu ihm verspürt hatte. Doch in all den Jahren, in denen sie für ihn gearbeitet hatte, hatte er nie versucht, die Distanz zwischen ihnen zu überwinden. Plötzlich, nach so langer Zeit, zeigte er auf einmal Interesse an ihr. Seltsamerweise weckte das in ihr weder Gefühle noch Erregung. Sie fühlte sich eher ein wenig abgestoßen, verstand aber nicht, warum.
Marion war erleichtert, dass er keine weiteren Annäherungsversuche unternahm. Ein Arm schlang sich um ihre Taille, und der andere ruhte leicht auf ihrer Schulter, bis Abner den Rolls vor ihrem Apartmenthaus anhielt. Cromwell trat auf den Gehsteig und half ihr aus dem Wagen.
»Gute Nacht, Marion«, sagte er und hielt dabei ihre Hand. »Ich bin mir sicher, dass Sie einen interessanten Abend hatten.«
Auf einmal kam es ihr vor, als würde sie etwas in ihm entdecken, das sie nie zuvor gesehen hatte, und seine Berührung war ihr unangenehm. »Ein Abend, an den ich mich noch lange erinnern werde«, sagte sie
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