Höllenjagd
Füße weh. »Ja, machen Sie das ruhig, Mr. Cromwell. Ich könnte eine Verschnaufpause gebrauchen.«
Cromwell stieg die Holztreppe hinauf und ging langsam durch den geschäftigen Spielbereich, bis er an einen Tisch kam, an dem nur der Kartengeber saß. Hinter ihm standen zwei kräftige Männer und hielten die Kunden davon ab, sich an den Tisch zu setzen.
Der Kartengeber sah aus, als hätte ihn ein Stier geboren. Sein Kopf steckte wie ein gemeißelter Stein auf dem Hals, der dick wie ein Baumstumpf war. Das schwarze Haar war gefärbt, mit Pomade glatt an den Kopf gekämmt und in der Mitte gescheitelt. Seine Nase lag platt auf beiden Wangen, da sie mehrmals gebrochen worden war. Seine klaren Augen wirkten seltsam unpassend in einem Gesicht, das mehr gesehen hatte als ein paar Fäuste. Sein Oberkörper war rund und kompakt wie ein Bierfass, jedoch fest und ohne ein Gramm Fett. Kelly war Boxer gewesen und hatte früher einmal gegen James J. Corbett gekämpft. Er hatte den früheren Schwergewichts Weltmeister zweimal zu Boden gehen lassen, war aber selbst in der einundzwanzigsten Runde k.o. gegangen. Er blickte auf, als Cromwell näher kam.
»Guten Abend, Mr. Cromwell. Ich habe Sie erwartet.«
Cromwell öffnete den Deckel seiner Uhr und warf einen Blick auf das Zifferblatt. »Verzeihen Sie mir die acht Minuten Verspätung, Mr. Kelly. Ich wurde aufgehalten.«
Red Kelly lächelte und zeigte einen Mund voller goldener Zähne. »Ja, ich wäre in Begleitung einer so hübschen Dame auch aufgehalten worden.« Er nickte zum Tisch. »Würden Sie gern Ihr Glück versuchen?«
Cromwell zückte seine Brieftasche und zählte zehn Fünfzigdollarscheine der National Bank ab, die von seiner Bank im Auftrag der Bundesregierung gedruckt wurden. Kelly legte die Scheine wie beiläufig an den Tischrand und schob dafür einen Stapel Kupferspielmarken mit dem Namen des Saloons über den Tisch. Ein typischer Faro- Kartensatz mit einer Hand von dreizehn Karten war auf die grüne Filztischdecke aufgemalt. Die Hand waren Pikkarten vom As bis zum König, mit dem As auf der linken Seite des Kartengebers.
Cromwell legte eine Spielmarke auf den Buben und eine zwischen die Fünf und die Sechs, in einem aufgeteilten Wetteinsatz. Kelly nahm die oberste Karte aus der Box des Kartengebers und zeigte die nächste Karte, die Verliererkarte genannt wurde. Es war eine Zehn. Wenn Cromwell darauf gesetzt hätte, hätte er verloren, während das Haus sämtliche Wetteinsätze auf den offenen Karten gewonnen hätte. Dann zog Kelly die Verliererkarte aus der Box und präsentierte die darunter liegende Gewinnerkarte. Es war eine Fünf. Cromwell gewann den gesamten Einsatz, nicht nur den halben.
»Anfängerglück«, sagte er, als Kelly die gewonnenen Spielmarken über den Tisch schob.
»Was kann ich für Sie tun, Mr. Cromwell?«
»Nichts, danke.«
»Sie wollten mich sehen«, sagte Kelly. »Wie kann ich mich für die vielen Gefälligkeiten revanchieren, die Sie mir im Laufe der Jahre erwiesen haben, nicht zuletzt, dass Sie mir immer wieder die Polizei vom Hals gehalten haben?«
»Jemand muss verschwinden.« Cromwell sagte es, als würde er ein Bier bestellen.
»In dieser Stadt?«, fragte Kelly ungerührt.
»Nein, in Denver.«
»Ein Mann, hoffe ich«, sagte Kelly, ohne von der Kartengeberbox aufzuschauen. »Ihre Einsätze.«
Cromwell nickte und schob eine Spielmarke zwischen Dame und Bube. »Es handelt sich um einen Agenten der Van Dorn Detective Agency.«
Kelly hielt inne, bevor er eine Karte aus der Box nahm. »Einen Agenten von Van Dorn zu beseitigen könnte ernsthafte Folgen haben.«
»Nicht, wenn es richtig gemacht wird.«
»Wie heißt er?«
»Isaac Bell.« Cromwell schob ihm das Bild zu, das ihm seine Schwester gegeben hatte. »Hier ist eine Fotografie.«
Kelly sah sich das Foto kurz an. »Warum wollen Sie ihn loswerden?«
»Ich habe meine Gründe.«
Kelly zog die Verliererkarte und deckte als Gewinnerkarte die Dame auf. Cromwell hatte erneut gewonnen.
Kelly blickte Cromwell über den Tisch hinweg an. »Ich habe gehört, dass jeder, der einen Agenten von Van Dorn getötet hat, zur Strecke gebracht und gehängt wurde.«
»Das waren Verbrecher, die dumm genug waren, sich von den Ermittlern der Agency erwischen zu lassen. Wenn Sie geschickt vorgehen, wird Van Dorn nie erfahren, wer Bell getötet hat oder warum. Lassen Sie es wie einen zufälligen Mord oder gar wie einen Unfall aussehen. Ohne Spuren wird es Van Dorns Ermittlern unmöglich sein,
Weitere Kostenlose Bücher