Höllenjob für einen Dämon (German Edition)
weiter als Himmel und Wolken. Rasch wich er zurück. Beinahe hätte er Gavarel angelockt, weil er zu sehr in Gedanken gewesen war.
Shatan drehte auf der Ferse um. Sein Arm schwang zur Seite, verfing sich in seinem Kittel, der wiederum am Schlauch des Katheters hängen blieb.
Shatan stöhnte leise. Verdammt tat das weh! Er schloss die Augen, um einige Minuten tief durchzuatmen. Er musste sich etwas einfallen lassen. Nicht mehr lange, und die Männer, die ihn in dem Kerkerraum gefangen gehalten hatten, würden aufwachen und Alarm schlagen.
In diesem Augenblick wusste Shatan nicht, wen er mehr hassen sollte: Lilith oder deren Mutter.
Luzifer wird sich hierüber köstlich amüsieren, wenn ich wieder in Hel bin. Vermutlich beschafft sie sich eigens Katheter, um ihre Widersacher damit zu quälen.
Sein Sarkasmus half Shatan, sich wieder zu beruhigen. Als er die Lider aufschlug, sah er einen Inder vor sich. Der Mann lehnte an der Hauswand und rauchte. Auch ohne den Dastar, den Sikh-Turban, erkannte Shatan dessen Herkunft am Bindi, dem roten Punkt inmitten der Stirn. Über weiten senffarbenen Hosen trug der Inder ein grasgrünes Hemd, das am Kragen mit goldenen Stickereien verziert war.
Der Mann lächelte Shatan zu und fragte: „Brauchen Sie ein Taxi, Doktor?‟
Rasch überlegte Shatan. Er besaß kein Geld. Abgesehen davon wusste er nicht einmal, wo er Evangelina finden sollte. Dazu kam, dass der Fahrer wohl kaum bereit wäre, mit ihm ziellos durch die Stadt zu irren, auf der Suche nach einer Frau, deren Nachnamen er nicht kannte. Zähneknirschend wollte er schon den Kopf schütteln, als der Mann den seinen drehte, um den Rauch der Zigarette in eine andere Richtung zu blasen.
Shatan bemerkte eine Figur, die an einem Ring im Ohr des Inders baumelte: Ein weiblicher Goldschakal. Ein Begleiter Kalis. Es konnte sich dabei womöglich um unbedeutenden Schmuck handeln, doch eine Tätowierung auf dem Unterarm des Mannes belehrte Shatan eines Besseren. Ein weit aufgerissenes Auge. Kein Inder trug ein solches Bildnis zusammen mit dem Schakal am Körper, wenn er nicht dem Kali-Kult angehörte. Nur wahre Gläubige trauten sich das. Sie verehrten die Göttin des Todes, weil sie glaubten, dass sie von der Schwarzen Mutter Lebensweisheit erlangen konnten. Als Dämon, der ärgste Feind Kalis, wusste Shatan es besser. Trotzdem zögerte er nicht, die Gunst der Stunde zu nutzen.
„Namaste.‟ Shatan legte die Handflächen aneinander und hob die Fingerspitzen Richtung Nase, während er sich leicht verbeugte.
„Namaste. Es ist selten, dass jemand mit den indischen Bräuchen vertraut ist, Doktor.‟
„Die Inder sind ein stolzes Volk, weshalb sollte man ihre Kultur nicht schätzen?‟
Der Mann lachte. „Sie sind der Erste, der so etwas zu mir sagt. Die meisten Deutschen halten uns für Wilde.‟
Shatan murmelte etwas Unverständliches, bevor er hinzufügte: „Mir ist nicht entgangen, dass Sie ein religiöser Mensch sind.‟
Das Lächeln des Inders verschwand. Misstrauisch besah er sich sein Gegenüber von oben nach unten.
„Wie kommen Sie darauf?‟
„Der Ohrring, die Tätowierung. Sie sind ein treuer Anhänger der Schwarzen Göttin.‟ Beschwichtigend hob Shatan die Hände, als der Inder die seinen zu Fäusten ballte. „Keine Angst. Ich störe mich nicht daran. Ich bin selbst … ein Verehrer Kalis.‟
Der Blick des Inders flackerte. Trotzdem gab er seine abwehrende Haltung nicht auf. „Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden.‟ Er stieß sich von der Wand ab und wollte gehen.
Shatan hielt ihn am Arm fest. Sich zur vollen Größe aufrichtend knurrte er: „Kali belohnt jene, die wahrhaft glauben. Sie hat mich geschickt, um dich zu prüfen.‟
„Ahay hat ihr immer treu gedient.‟ Mit weit aufgerissenen Augen starrte der Mann Shatan an. Der Leib des Inders bebte. Ob vor Zorn oder Erregung wusste Shatan nicht zu sagen.
„Trotzdem verleumdest du ihren Namen, Ahay!‟
Der Inder zuckte zusammen. Er schluckte hektisch. Schweiß bildete sich auf seiner Oberlippe. Seine Zähne klapperten nun offensichtlich. Ihm musste eingefallen sein, was mit jenen geschah, die Kali erzürnten.
„Bitte! Ich tue alles für die Schwarze Mutter‟, vor Aufregung war er in seine Muttersprache gewechselt, die Shatan jedoch mühelos verstand.
Wenn man so alt war wie er, beherrschte man alle Sprachen der Welt. Und in früheren Zeiten hatte er sich gerne in Indien aufgehalten. Der Kali-Kult brachte viele Sünder in seine Kesselhalle.
„Die
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