Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Höllenknecht

Höllenknecht

Titel: Höllenknecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
Vom Netzwerk:
Elckershausen wolle demjenigen seiner Söhne das gesamte Erbe vermachen, der am Tag seines Todes erfolgreicher sei. «Wo Täubchen ist, scheißt Täubchen hin», lautete sein Motto. «Ich denke nicht daran, einem Versager noch Geld hinterherzuwerfen.» Bisher hatte Krafft es als Zweiter Bürgermeister noch nicht weit genug gebracht. Sein Bruder war immerhin schon ein hoher Bediensteter am Hofe des hessischen Landgrafen und mit einem Freifräulein verlobt, während er noch nicht einmal eine reiche Bürgerstochter vorweisen konnte. Er brauchte unbedingt Erfolge. Selbst wenn er die einem Sarazenen zu verdanken hatte. Leider wusste Heinz Blettner nicht viel über dessen Ausbildung zu sagen. Schließlich entschied sich der Schultheiß.
    «Also gut, Richter. Wenn es sein muss. Wenn Ihr gar keinen anderen auftreiben könnt, nehmt in Gottes Namen den Muselmanen. Aber passt auf, dass er uns die Bürger nicht mit seinen Irrlehren vergiftet.»
    Der Richter schüttelte den Kopf. «Oh, Bürgermeister, da habt Ihr nichts zu befürchten. Die Muselmanen glauben ebenso an Gott wie wir, nur dass der ihrige eben Allah heißt. Sogar etwas Ähnliches wie die Zehn Gebote haben sie.»
    «Hmm», brummte der Schultheiß nicht ganz überzeugt und verließ nachdenklich den Ratssaal. Heinz Blettner folgte ihm mit höchst zufriedener Miene.
    Er verließ den Römer, in dem der Rat getagt hatte, und stand am Rande des belebten Marktplatzes. Die Sonne blendete ihn, sodass er die Hand schützend über die Augen legte. Am liebsten hätte er sich auch noch die Nase zugehalten, aber gegen den Gestank der in der Hitze verderbenden Lebensmittel hätte es kaum geholfen.
    Ich werde, dachte der Richter, ganz schnell Käse kaufen und sogleich nach Hause eilen. Dort wollte er Arvaelo treffen.
    Er warf einen Blick auf die Uhr am Römer, erschrak ein wenig, stellte fest, dass das Gespräch mit dem Schultheiß ihn um sein vormittägliches Achtelchen Wein gebracht hatte, und machte sich auf zum nächsten Käsestand, um sich mehrere Viertelpfundstücke eines Hartkäses zu kaufen, so wie Arvaelo es ihm gestern aufgetragen hatte.
    Doch zuvor nahm er die Hand von den Augen und zog ein wenig an seinem Leinenhemd, um sich Kühlung zu verschaffen, als ihn jemand am Ärmel zupfte. Heinz Blettner wandte sich um, und auf seinem Gesicht erschien ein Lächeln, das Überraschung und große Freude ausdrückte.
     
    Als Hella Heinz’ Gesicht sah, als sie dieses strahlende Lächeln bemerkte, fühlte sie einen Stich in ihrem Herzen und schluckte. Sofort presste sie ihre Hand auf die Brust, doch sie konnte den Blick nicht von ihrem Mann abwenden. Sie trat zwei Schritte zur Seite, verbarg sich hinter der Plane eines Geflügelhändlers und spähte weiter zum Eingang des Römers.
    Dort stand ihr Heinz, und vor ihm eine Frau, die er mit wonniger Seligkeit ansah. Jetzt legte er ihr sogar eine Hand auf den Unterarm. Und sie lachte! Sie warf den Kopf in den Nacken, lachte herzhaft und zeigte dabei alle Zähne. Ihr Körper bog sich Heinz entgegen, ihre Hand strich leicht über seinen Oberarm. Hella zuckte zusammen, als hätte sie einen Schlag erhalten. Sie beugte sich ein wenig nach vorn und studierte das Gesicht der Frau, das ihr bekannt vorkam. Die Frau trug das Haar ordentlich unter einer Haube. Nirgendwo hatte sich eine vorwitzige Strähne unter demStoff hervorgewagt. Ihr Gesicht war schmal und blass und wirkte sehr verletzlich. Die Augenbrauen waren sanft geschwungen, und die Augen strahlten groß und hell. Die Nase war klein und fein, und Hella schien es, als könne sie bis in ihr Versteck sehen, wie die zarten Flügel leise bebten. Der Mund war schmallippig, aber nicht verkniffen. Alles in allem sah die Fremde eher wie eine Elfe denn eine Frau aus. Sie hatte etwas Zartes, Zerbrechliches an sich, das die meisten Männer dazu bringen musste, in ihrer Gegenwart zu flüstern. Selbst Hella fühlte bei ihrem Anblick den Drang, sie zu beschützen. Jetzt lachte die Frau wieder und legte dabei sogar eine Hand auf Heinz’ Brust. Hella durchfuhr es heiß. Nun beugte er sich zum rosigen Ohr der Frau und flüsterte etwas. Sie wirkten so vertraut wie ein Ehepaar oder wie Geschwister, wenigstens aber wie sehr gute Freunde. Aber wann war schon einmal ein Mann mit einer Frau befreundet gewesen? Hella schüttelte den Kopf. So etwas gab es nicht. Männer und Frauen waren dafür viel zu unterschiedlich. Das sagten jedenfalls ihre Mutter und Jutta Hinterer. Vertrauen könne man einzig den Frauen.

Weitere Kostenlose Bücher