Höllenknecht
er eine Hand nach ihr ausstrecken.
Der Richter drehte sich um und räusperte sich. «Das ist meine … ähem … meine Schwiegermutter», sagte er. «Gustelies Kurzweg, Schwester und Haushälterin unseres Paters Nau.»
Der Fremde lächelte, nahm ihre Hand in seine beiden warmen Hände und sagte mit dunkler, leicht rauer Stimme: «Ich bin Arvaelo Garm. Ich freue mich, Euch kennenzulernen.»
Gustelies nickte und spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. Sie drehte sich um und schaute nach Hella, doch hinter ihr war niemand mehr. Nur ganz hinten, an der Ecke zur Großen Bockenheimer Gasse, sah sie einen Kleiderzipfel um das Gemäuer wehen.
KAPITEL 3
Hella wurde erst langsamer, als sie auf dem Rossmarkt angekommen war. Sie blieb stehen, schöpfte Atem und setzte dann gemächlich ihren Weg zur Katharinenpforte fort. Als sie am Haus zum Heißen Stein vorbeikam, rümpfte sie die Nase. Der Heiße Stein war das öffentliche Spielhaus. Hier trafen sich jeden Abend Handwerker, Gesellen und andere Männer, um Karten oder Würfel zu spielen. Frauen war dieser Ort selbstverständlich verboten. Auch jetzt kamen zwei junge Männer mit einer Gesellennadel am Wams durch die Katharinenpforte geschlendert, genau auf das Spielhaus zu.
Wenn Heinz wenigstens spielen würde, dachte sie und erschrak über ihre eigenen Gedanken. Warum sollte Heinz etwas tun, was einer Ehefrau Grund zur Klage gab?
Damit, antwortete Hella sich selbst, nicht immer ich es bin, die etwas falsch macht, die undankbar ist und niemals zufrieden. Nie macht Heinz einen Fehler, es gibt gar nichts, was ich an ihm aussetzen könnte. Er ist großzügig, verständnisvoll, treu und ohne Laster. Und ich? Ich bin so unvollkommen. Es vergeht kein einziger Tag auf Gottes Erde, an dem ich nicht irgendetwas falsch mache. Mal schnüffle ich in seinen Criminalia, mal verfärbe ich die Wäsche, ein anderes Mal brennt mir das Essen an. Ich wische gedankenlos über meine Lippen, die Heinz gerade geküsst hat, oder verweigereihm ganz und gar das Bett. Ich bin unfreundlich, launisch, habe an allem etwas auszusetzen und benehme mich ganz so wie eine Frau, welche man nach der Frau des Sokrates Xanthippe nennt. Und Heinz? Was immer auch geschieht, er ist und bleibt der vollkommene Ehemann, um den jede andere Frau mich beneiden würde.
Hella seufzte. Trotzdem konnte sie im Augenblick nichts daran ändern, dass er ihr furchtbar auf den Geist ging. Es gab Stunden, da konnte sie es nicht ertragen, ihn neben sich atmen zu hören. Oder ihm beim Essen zuzusehen. Oder seinen Duft zu riechen, seine Haut zu spüren. Alles in ihr strebte weg von ihm. Gleichzeitig schalt eine Stimme in ihrem Kopf sie und beklagte ihren Undank, ihr Unverständnis.
Hella eilte durch die Katharinenpforte, als wolle sie vor ihren eigenen Gedanken fliehen. An der Ecke, wo Töngesgasse und Fahrgasse aufeinanderstießen, versperrten ihr zwei Straßenköter den Weg. Die Hündin stand mit zitternden Lenden und tropfenden Lefzen da, während der Rüde auf ihrem Hinterleib hing. Dann ließ er von ihr ab und schnupperte am Straßenrand an einem welken Kohlblatt. Die Hündin legte sich hin, leckte sich, stand auf und trottete gleichmütig weiter.
Hella betrachtete dieses Schauspiel wie gebannt. Sie hatte schon oft kopulierende Hunde gesehen, aber niemals war sie so unangenehm berührt davon wie jetzt. Sie schüttelte sich und lief weiter bis zu dem Haus, in dem sie seit ihrer Heirat mit Richter Heinz Blettner vor knapp drei Jahren wohnte. Erst als sie die Haustür hinter sich geschlossen hatte, bemerkte sie, dass ihr Kleid auf dem Rücken von Schweiß durchtränkt war. Auch ihr Nacken und ihre Achseln waren feucht. Kaum stand sie in der Küche, riss sie sichdie Haube vom Kopf und warf sie auf den Tisch. Sie setzte sich und wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn.
Die Magd stand am Spülstein und erledigte den Abwasch. Als sie Hella sah, trocknete sie ihre Spülhände an der Schürze ab: «Möchtet Ihr einen Becher Brunnenwasser, Herrin?»
Hella war so durstig, dass sie nur nicken konnte. Sie sah zu, wie die Magd einen Becher füllte und die Tür, die von der Küche in den Innenhof führte, öffnete. Dort pflückte sie einige Minzeblätter und gab sie in das Wasser hinein. Dankbar trank Hella. Als sie den Becher absetzte, sah sie im Innenhof die Hündin, die ihr vorhin über den Weg gelaufen war. Eine unerklärliche Wut auf das Tier überkam sie. Sie stand auf, fuchtelte mit den Händen herum. «Hau ab»,
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