Höllenknecht
zugeschlagen!»
KAPITEL 5
«Verflucht! Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet!» Heinz Blettner seufzte aus tiefstem Herzensgrund. Vor seinem Schreibtisch im Malefizamt stand ein Spitalpfleger und trat ängstlich von einem Bein auf das andere.
«Ja, nun. Es tut mir leid, aber wir haben alles getan, um den Jungen unter Kontrolle zu halten. Doch er hört ja nicht einmal auf seinen Namen.»
«Hmm», brummte Heinz und kratzte sich am Kinn. «Wie heißt er eigentlich?»
«Josef. Josef Dübler.»
«Gut. Und jetzt, Pfleger, setzt Euch und erzählt von Anfang an, was geschehen ist.»
Der Pfleger hob die Schultern. «Ja, nun. Der Pater brachte uns den Jungen. Wir sollten ihn behalten, bis der Exorzismus seine Wirkung tut. Die Mutter des Jungen war dabei. Sie sagte, wir sollten uns nicht weiter kümmern, sie würde das tun.»
«Und weiter?»
«Was weiter?»
Richter Blettner verdrehte die Augen. «Wie ging es weiter? Wie kam der Junge hinunter zum Fluss?»
Der Pfleger zog die Mundwinkel nach unten. «Ja, nun, er war nicht eingesperrt. Die Krankensäle sind allesamt offen. Jeder, der noch laufen kann, darf hinausgehen. Hinterdem Spital ist ein Gärtchen. Da ist die Mutter wohl mit dem Jungen hingegangen.»
«Weiter, weiter, weiter!» Der Richter trommelte mit den Fingerspitzen auf den Tisch.
«Auf einmal war da Geschrei. Wir dachten uns nichts dabei. Ja, nun, in einem Haus wie unserem brüllt immer wer. Dann kam die Mutter gerannt und schrie, es liegt eine Leiche unten im Garten. Ich ging mit. Als wir am Ufer ankamen, saß da der Junge, hielt einen kopflosen Rumpf auf dem Schoß und wiegte ihn wie ein Mädchen seine Puppe. Er weinte und schrie, als hätte man ihm das Liebste genommen. ‹Nicht echt, nicht echt›, hat er immer wieder gebrüllt.»
«Aha. Der Rumpf. Ist er männlich oder weiblich?»
«Ihr meint, ob vorne ein Gehänge und unten eine Punze war?»
Wieder verdrehte der Richter die Augen und machte dem Schreiber ein Zeichen, diesen letzten Satz nicht zu notieren.
«Hat er oder hat er nicht?»
«Ja, nun, wie soll ich das sagen, Herr? Vorn war nichts. Und eine Punze auch nicht. Aber ein Schwanz war ebenfalls nicht vorhanden. Und Eier waren auch keine da. Aber dort, wo sie hätten sein müssen, da war eine blutige Wunde.»
«Hmm», brummte der Richter. «Wäre es falsch, davon auszugehen, dass es sich um einen männlichen Rumpf handelt?», fragte er den Pfleger.
«Woher soll ich das wissen?», fragte der zurück. «Beim Teufel ist alles möglich. Ich habe gesagt, was ich gesehen habe. Mehr weiß ich nicht. Darf ich jetzt gehen?»
Der Richter nickte. Als der Pfleger schon auf derSchwelle stand, hielt er ihn zurück. «Wie hat eigentlich der Junge, der Josef, reagiert?»
«Gar nicht, irgendwie. Als er aufgehört hatte zu brüllen, ist er bloß noch dagesessen und hat gestiert. Rund ums Maul war Blut.»
«Der Mund war voller Blut?»
«Genau. Deshalb sind wir doch auf den Gedanken gekommen, dass er der Kannibale sein muss.»
«Hat er … hatte er …» Richter Blettner wusste nicht, wie er das Schreckliche aussprechen sollte. «Hatte er etwa zugebissen?»
Der Pfleger wurde blass und schluckte. Wortlos zuckte er mit den Achseln.
«Wo ist der Junge jetzt?»
«In der Besenkammer, ja, nun. Wir haben ihn dort eingesperrt und die Tür mit einem Spaten verriegelt.»
«Darum werde ich mich später kümmern. Schickt einstweilen jemanden zur Liebfrauenkirche. Pater Nau soll sich mit dem Jungen befassen.»
Der Pfleger nickte und machte, dass er davonkam.
Als Nächstes gab der Richter Anweisungen, den Rumpf so unauffällig wie möglich zum Henker in die Vorstadt zu bringen. Er ließ nach Arvaelo rufen und schickte auch einen Stadtbüttel zu Eddi Metzel.
Heinz Blettner hatte sich noch nicht an den neuen Leichenbeschauer gewöhnt. Der alte, mit dem er einige Jahre zusammengearbeitet hatte, war im Frühjahr krank geworden und hatte sich zur Ruhe gesetzt. Eddi Metzel aber war ein gescheiterter Medicus. Ein Arzt, der kein Blut sehen konnte, missfiel Richter Blettner. Das war wie ein Metzger, der aus Mitleid mit seinen Tieren kein Fleisch aß. Irgendwie verkehrt, beinahe unanständig.
Er seufzte, ging zum Fenster, öffnete es und ließ die Hitze wie eine Wand gegen sich prallen. Von hier aus konnte er den Römerberg überblicken. Er betrachtete das Gewimmel. Das Stimmengewirr klang bis zu ihm empor. Durch das Fenster stieg auch der Messeduft: Gewürze, Pech, Fett, Wein, Pelze. Und der Geruch der
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