Höllenknecht
der Buchgasse, ganz nahe am Fluss, dort, wo die Standgebühren nicht mehr ganz so teuer waren, saß die Buchhändlerin Angelika auf einem Fass. Sie hatte die Werkstatt in Bornheim von ihrem Vater übernommen und stellte seither zu jeder Messe aus. Da sie es bisher hatte vermeiden können, heiraten zu müssen, trug sie ihr Haar haubenlos. Die kleinen Löckchen kringelten sich ihr im Nacken. Auf der Nase trug sie Augengläser.
«Grüß dich Gott, Angelika», sagte Gustelies. «Rück mal ein Stück.» Sie ließ sich schnaufend nieder. «Die Hitze setztmir mehr zu, als ich sagen kann. Manchmal wird mir direkt ein wenig übel.»
«Kein Wunder», erklärte die Druckerin und wedelte sich mit einem Fächer Luft zu. «Seitdem in Italien die neuen Moden ausgebrochen und über die Alpen geschwappt sind, sieht es aus, als sei das Wetter gleich mitgekommen.»
«Recht hast du», bestätigte Gustelies. Sie klopfte auf das Fass, auf dem sie saßen. «Und? Wie gehen die Geschäfte?», fragte sie.
Angelika verzog das Gesicht. «Reich wirst du nicht als Druckerin und Buchhändlerin», erwiderte sie. «Ich beneide dich um deine Unabhängigkeit.»
«Du? Mich?», wunderte sich Gustelies. «Dass ich nicht lache! Ich bin so unabhängig wie eine Kuh im Stall. Der Pater scheucht mich den ganzen Tag in der Gegend umher. ‹Gustelies, bring mir Wein.› – ‹Gustelies, wo ist mein Priestergewand?› – ‹Gustelies, worüber soll ich predigen?› Das ist doch keine Unabhängigkeit!»
«Doch, doch», bestätigte Angelika. «Du kannst überall umhergehen, wo du gerade möchtest, während ich entweder in meiner Druckerei in Bornheim oder in Messezeiten hier auf meinem Fass angekettet bin.»
«Aber du bist selbständig, bist von niemandem abhängig, kannst alles selbst bestimmen, solange du dich an die Zunftgesetze hältst», warf Gustelies ein.
«Ja, das ist wahr», gab Angelika zu. «Nur, wer sagt denn, dass ich das auch möchte?»
Darauf wussten weder Gustelies noch Hella eine Antwort. «Sagt, habt Ihr jemals von einem Zauberbuch mit dem Titel ‹Dr. Faustus’ dreifacher Höllenzwang› gehört?», fragte Hella.
«Du meinst ‹Dr. Faust’s Magia naturalis et innaturalis?›»
Gustelies und Hella nickten gleichzeitig.
«Natürlich! Ich habe nicht nur davon gehört, ich habe das Buch sogar schon in meinen eigenen Händen gehalten, jawohl.»
«Dann weißt du vielleicht auch, woher man es bekommen kann?», fragte Gustelies hoffnungsfroh.
Angelika wiegte den Kopf hin und her. «Ich kann mich umhören», erwiderte sie unverbindlich. «Wozu brauchst du es? Bist du etwa unter die Alchemisten gegangen?»
Gustelies schüttelte den Kopf. Sie hätte gern geantwortet, aber plötzlich schien ihr der Kuchenwettstreit in Angelikas Augen kein ausreichender Grund zu sein. «Nur so», sagte sie. «Ich möchte es einmal ansehen, möchte gern wissen, worum es darin geht. Und wie viel es kostet.»
«Wissen, worum es darin geht? Das kann ich dir ebenso gut erklären. Es geht um die Anrufung von Geistern und Dämonen. Ihr wisst ja, es gibt die sieben Großfürsten der Hölle, welche so heißen wie die Ordnung ihrer Planeten. Barbiel, Mephistophiel, Gamael, Aciel, Anael, Ariel und Marbuel. Unter diese sieben Churfürsten gehören die sieben Fallsgrafen Ahisdophiel, Camniel, Padiel, Coradiel, Osphadiel, Adadiel und Casphiel.»
«Ja, gut, das sind alles Namen von Dämonen. Das klingt mehr nach Exorzismus als nach Zauberei.»
Angelika sah Gustelies verärgert von der Seite an. «Das weiß ich selbst. Willst du jetzt wissen, was darin steht oder nicht?»
Gustelies nickte eifrig, und Angelika fuhr fort: «Jeder der großen Höllenfürsten steht für etwas Besonderes. Aciel wacht über die Schätze der Erde und bringt Geld. Er ist also auch der, der das Gold in den Bergen hütet. Im Zauberbuchsteht nun beschrieben, mit welchen Formeln, Zeichen und Signien man Aciel beschwören kann, auf dass er einem zu Willen ist. Dazu kommen Vorbereitungen, Hinweise und Warnungen, die beachtet werden müssen, um nicht Schaden an Leib und Seele zu nehmen. Es wird erklärt, wie ein magischer Kreis manufakturiert wird, wie man zauberwirksame Kerzen und Räucherungen herstellt und welche magischen Operationen nötig sind. Und das, wie gesagt, nicht nur für einen, sondern für alle Groß- und Unterfürsten der Hölle.»
Gustelies schwieg beeindruckt, und auch Hella blickte mit gerunzelter Stirn vor sich. «Bedeutet das», fragte sie schließlich, «dass der
Weitere Kostenlose Bücher