Höllenknecht
beim Eingang und atmete soflach, wie es ihm nur möglich war. «Ich weiß überhaupt nicht, was das hier alles soll. Früher brachte man den Mörder zur Leiche. Wenn die zu bluten begann, dann war er der Schuldige. Blutete sie nicht, hatte man den Falschen.»
«Ruhe!», fuhr der Richter ihn an. «Schreiber, wenn du nicht bald aufhörst, deine ewig gestrigen Ansichten vorzutragen, suche ich mir einen anderen.»
Der Mann verstummte beleidigt.
Arvaelo drückte noch immer an dem Rumpf herum. «Der Tod ist vor mehr als fünf Tagen eingetreten», erklärte er. «Die Totenstarre löst sich bereits wieder.»
Der Henker stand breitbeinig da, die Hände vor seinem Gemächt verschränkt, und betrachtete den Rumpf so gelangweilt, als handle es sich dabei um eine Obstfliege.
Eddi Metzel war neben Arvaelo getreten, hatte aber die Hände auf den Rücken gelegt und sah zu, dass er den Rumpf nicht berührte.
«So, wie die Haut aussieht, denke ich, dass der Tod vor mehr als einer und weniger als zwei Wochen eingetreten ist», teilte Arvaelo mit. «Die Bauchdecke ist gänzlich grün verfärbt, und es gibt bereits ein paar Fäulnisblasen. Der Leib scheint mir überdies aufgetrieben. Hätten wir den Kopf, so müsste sich rötliche Fäulnisflüssigkeit aus Mund und Nase drücken lassen.»
Der Schreiber würgte und rannte die Kellertreppe nach oben. Der Richter war noch ein wenig blasser geworden und drückte sein Halstuch fest gegen Mund und Nase. «Ein Königreich für eine Kanne Wein», murmelte er. Der Henker nickte und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Arvaelo fragte den Leichenbeschauer: «Und Ihr, was meint Ihr?»
Metzel schluckte, strich sich über das Haar und sagte: «Ich hätte es nicht besser sagen können, Morgenländer.»
Arvaelo lächelte. «Eins haben wir noch vergessen. Was ist mit Tierfraß?» Er sah Eddi an. Der hob die Schultern. «Tierfraß, na ja. Der Rumpf zeigt außer der Wunde an den Genitalien keine anderen Bisse.»
Arvaelos Lächeln wurde breiter. «Das meinte ich nicht. Ich meinte den Tierfraß von Maden, Ameisen und Käfern.»
Eddi Metzel beugte sich noch tiefer über die Leiche, kniff die Augen zusammen, riss sie dann wieder auf und sah zu Arvaelo. «Ich sehe nichts.»
«Dann braucht Ihr wohl Augengläser, mein Freund. Seht Ihr nicht die Maden in den vielen Wunden? Dort, wo früher die Arme und Beine waren?»
«Jetzt, wo Ihr es sagt.»
«Nun müssen wir nur noch herausfinden, ob es sich um eine männliche oder weibliche Leiche handelt und ob Arm und Bein zum Körper passen.»
«Wieso das denn? Waren wir uns nicht einig darüber, dass es ein Mann ist? Immerhin fehlen die Brüste», sagte der Richter.
«Es gibt auch Frauen, die nur sehr wenig Holz vor der Hütte – so sagt Ihr doch – haben», stellte Arvaelo fest. «Natürlich vermute ich auch, dass es sich um einen Mann handelt, aber die Wissenschaft lebt nun einmal von Beweisen. Also, Eddi, fangt an.»
Der Leichenbeschauer trat näher, die Hände noch immer fest auf dem Rücken verschränkt. «Ein weibliches Skelett ist in der Regel graziler. Frauen sind kleiner, schlanker und leichter als Männer. Das sieht man auch an den Knochen. Sie haben einen schmalen Oberkörper und ein breiteres Becken als Männer. Ihre Knochen sind feiner, zarter irgendwie. Die Muskelansatzpunkte sind geringer ausgeprägt als bei Männern. Sollte man den menschlichenKörper mit Tieren vergleichen dürfen, so würde ich sagen, der Mann entspricht einem Hund, die Frau einer Katze.»
Arvaelo lachte. «Du hast gesprochen wie ein Doktor.»
«Na ja, schließlich war ich das auch einmal.»
Der Henker sah aus, als hätte er längst genug von dem gelehrten Geschwätz. Er nahm den abgetrennten Arm, der mittlerweile schon ganz schmierig war, und reichte ihn wortlos dem Leichenbeschauer. Der wich zurück und schüttelte sich ein wenig.
«Was soll das denn?», herrschte der Henker ihn an. «Ein Leichenbeschauer, der sich davor ekelt, eine Leiche anzufassen? Das ist ja noch schlimmer als ein Arzt, der kein Blut sehen kann.»
Eddi Metzel schluckte, dann griff er zaghaft und mit verzogenem Mund nach dem Arm.
«Passt», erklärte er nach der Probe. «Arm und Bein gehören definitiv zum Rumpf.»
Richter Blettner fasste zusammen: «Wir suchen also den Mörder einer unbekannten männlichen Leiche, den Kopf derselben, dazu einen zweiten Arm und ein zweites Bein. Das …» Er brach ab und wischte sich mit seinem Taschentuch über die Stirn. «Das Gemächt werden wir
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